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Die Täuschung

Die Täuschung

Titel: Die Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caleb Carr
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ruhig war; ich hatte das Gefühl, dass ich mittlerweile ausreichend Erfahrungen mit gewalttätigen Situationen hatte – nach Afghanistan insbesondere mit solchen, in denen Moslem-Extremisten eine Rolle spielten –, um mit jeder wie auch immer gearteten Ansammlung von Fanatikern fertig werden zu können, die wir drinnen antreffen mochten. (Dieser Wagemut wurde natürlich durch das Wissen bestärkt, dass Larissa mir den Rücken decken würde.) Die Soldaten, die am Eingang des Gebäudes Wache standen, ähnelten jedoch in keiner Weise den Terroristen, denen wir während der Geschehnisse in Afghanistan begegnet waren. Mit ihren schmucken Uniformen und ihrem korrekten Benehmen wirkten sie in dem Tollhaus des Resorts völlig fehl am Platz. Nachdem wir uns ausgewiesen hatten, um unsere Glaubwürdigkeit unter Beweis zu stellen, schickte einer der Männer nach einem höheren Offizier, einem Major Samad, der bald darauf mit etlichen weiteren Soldaten erschien. Als Erstes rüffelte er die Wachposten, weil sie nicht fortwährend in Habachtstellung standen, dann hörte er sich unser Angebot an. Er holte ein kleines Kommunikationsgerät heraus und begann, leise mit jemandem zu sprechen, von dem ich nur annehmen konnte, dass es General Said war. Etliche Minuten später marschierten wir neben dem Major her durch einen dunklen Gang.
    »Bitte entschuldigen Sie die Männer draußen«, sagte er ernst und in akzentfreiem Englisch. »Es ist nicht leicht, an einem solchen Ort die Disziplin aufrechtzuerhalten.«
    »Das ist verständlich«, erwiderte Colonel Slayton. »Juckt es Ihrem Kommandeur nicht in den Fingern, hier einmal gründlich aufzuräumen?«
    »O doch, dauernd«, seufzte Samad, »aber unsere Regierung braucht das Geld, verstehen Sie. Wir haben nur noch wenige von unseren F-117, die ohnehin schon völlig veraltet sind, wie Sie wissen, Colonel. Das Casino hat uns so viel Geld eingebracht, dass wir hochmoderne Flugabwehrwaffen und Geschütze von den Franzosen kaufen konnten, aber neue Flugzeuge kosten ein bisschen mehr, als die Spieltische abwerfen. Deshalb dulden wir diese Beleidigung Allahs da draußen« – er zeigte nach hinten zum Zentrum des Resorts – »und beten, dass der Prophet – gesegnet sei sein Name, und möge seine Seele Frieden finden – uns vergeben wird, denn wir kämpfen in seinem Namen und für den Triumph des wahren Glaubens in Malaysia.«
    Slayton nickte. »Wie viele Einsätze werden pro Tag gegen Sie geflogen?«
    »Das wissen wir nicht genau«, antwortete Samad, »obwohl wir gestern dachten, wir hätten mindestens siebenundneunzig gezählt …« Er wurde von dem plötzlichen Klappern umfallender Bowlingkegel und sehr höflichem Applaus unterbrochen, die von irgendwo weiter vorn durch den Gang hallten. »Ah!« Samads Gesicht hellte sich merklich auf. »Der General hat offenbar Glück!«
    Die Bowlinghalle, die wir betraten, war üppig ausgestattet, aber beinahe leer. Zwei oder drei Gruppen von Wachposten waren strategisch in dem großen Raum verteilt, und eine Gruppe sehr gut gekleideter malaysischer Offiziere stand um zwei Bahnen herum und trank Kaffee, der offensichtlich aus einem großen, reich verzierten Samowar auf dem dunklen Tresen der Bowlinghalle stammte. Ein kleiner Mann, dessen Uniform ein bisschen besser gebügelt war und dessen Goldtressen und Insignien merklich heller glänzten als die der anderen, rollte an einer der beiden Bahnen Kugeln zu den Kegeln. Der Mann war eindeutig ein Anfänger, aber was ihm an Geschick fehlte, machte er durch Begeisterung mehr als wett.
    Dies, verkündete Major Samad, sei General Tunku Said, Geißel von Kuala Lumpur und Fluch der Vereinten Nationen. Der gedrungene Kommandeur wurde über unsere Anwesenheit unterrichtet, woraufhin er mit schnellen Schritten zu uns kam. Er grinste unter einem ordentlich gestutzten Schnurrbart und streckte jedem von uns – außer Larissa – die Hand hin, als wir ihm vorgestellt wurden.
    »Ein ungeheuer amüsantes Spiel, dieses Bowling, meine ungläubigen Freunde!«, sagte er in einem Englisch, das noch besser war als das von Samad. »Ich bin mir jedoch nicht im Klaren, woher es stammt – manche behaupten, es sei eine holländische Erfindung, andere wiederum meinen, die Engländer hätten es entwickelt. Aber im Grunde macht das wohl keinen Unterschied, schließlich haben beide Malaysia irgendwann einmal beherrscht!«
    Auf einmal wurde das Gebäude von einer gewaltigen Explosion heftig erschüttert; Gips und Betonstaub rieselten von

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