Die Täuschung
– ist er ein Freund von euch?«
»Nein«, sagte ich rasch, denn ich spürte, dass das Missverständnis leicht tödliche Folgen haben könnte. »Er ist unser Feind. Wir suchen ihn, weil er etwas gestohlen hat, was uns sehr wichtig ist.«
Saids Miene hellte sich ein wenig auf, und er nahm die Hand von der Waffe. »Wenn das so ist«, sagte er, »dann möchte ich euch etwas zeigen, was euch vielleicht interessiert.«
Der General nickte einem seiner Offiziere zu, und dieser führte uns zu einer Tür hinter dem Leihschuhtresen der Bowlinghalle. Als wir davor standen, glaubte ich, gedämpfte Schreie zu hören; dann stieß der Offizier die Tür zu dem Lager- und Reparaturraum für die Schuhe auf, und wir sahen:
Eshkol. Er war stramm geknebelt und auf einen schweren Holzstuhl gefesselt; seine Knöchel hatte man fest an die Vorderbeine des Stuhls gebunden. Unter seinen bloßen Füßen stand eine elektrische Bürste mit Drahtborsten, die sich mit hoher Geschwindigkeit drehte und ihm langsam die Haut vom Fleisch schmirgelte. Speichel rann Eshkol aus den Mundwinkeln, während er unaufhörlich schrie, und seine irren Augen waren vor Schmerz geweitet.
Als ich wieder zu General Said blickte, sah ich nicht mehr den gepflegten Herrn mit der gewählten Ausdrucksweise vor mir, der mich gerade eben noch derart amüsiert hatte. Jetzt begriff ich, weshalb er gefürchtet wurde, und sein permanentes Lächeln erinnerte mich nur noch daran, dass islamische Führer ihre Gefangenen jahrhundertelang auf eben diese Weise gefoltert hatten: indem sie ihnen die Haut von den Fußsohlen abzogen.
»Hier ist euer Feind!«, verkündete der General stolz. »Und es wird eure ungläubigen Herzen zweifellos erfreuen zu hören, dass er einen sehr langsamen Tod erleiden wird!«
37
I ch stand da, sprachlos und wie gelähmt. Meinen drei Kameraden ging es nicht viel anders, das sah ich. Wir hatten so viele Stunden damit verbracht, uns auf eine Konfrontation mit Eshkol vorzubereiten, die unserer Überzeugung nach mit Sicherheit gewaltsam verlaufen würde, dass wir nun, wo wir ihn in einer solchen Verfassung – und vor allem an einem solchen Ort – vorfanden, einige Mühe hatten, uns über unseren nächsten Schritt klar zu werden. Natürlich konnten wir die Tür schließen und General Said beenden lassen, was er so enthusiastisch begonnen hatte; doch trotz all unserer gegenseitigen Versicherungen in jüngster Zeit, dass Eshkol ein für alle Mal gestoppt werden müsse, glaube ich nicht, dass auch nur einer von uns sich die Mitwirkung an seinem langsamen Foltertod aufs Gewissen laden wollte. Und wie Malcolm Larissa ins Gedächtnis rief, als sie ihm von den neuesten Entwicklungen berichtete, konnten wir außerdem nicht sicher sein, dass Eshkol noch niemandem von der Stalin-Disk erzählt hatte: Bevor er starb, musste er seinen Vorgesetzten erklären, dass diese Bilder ein Schwindel waren, damit keine Gerüchte in Umlauf kamen, die wahrscheinlich noch mehr Unheil stiften würden als Tatsachen. Uns dämmerte einem nach dem anderen, dass wir ihn aus diesem Raum, diesem Gebäude und diesem Resort herausholen mussten; aber wie zu erwarten, war es der stets listige Tarbell, der das als Erster begriff und die Sache in die Hand nahm.
»Sagen Sie, General« – dabei betrachtete er den sich windenden Eshkol mit gleichmütiger Miene, um Said zu beeindrucken, was ihm auch gelang – »was genau hat dieser Mann Ihnen getan?«
»Er ist ein Schwein, Dr. Tarbell!«, erklärte der General und spuckte Eshkol an. »Zunächst einmal hat er mir Probleme mit meiner Familie bereitet. Er wollte Plutonium kaufen und hat eine Menge Geld dafür geboten. Dann hat er auf dem Weg hierher den Mann ermordet, den ich ihm als Begleiter geschickt hatte. Warum? Ich weiß es nicht, und er will es nicht sagen.«
»Er hat früher schon genauso sinnlos getötet«, erklärte Tarbell. »Wir glauben, dass er seine Spuren verwischen will. Kann sein, dass er sogar versucht hätte, Sie umzubringen, sobald Ihr Geschäft unter Dach und Fach gewesen wäre.«
»Mich?« , rief der General wie vom Donner gerührt. »Hier?«
Tarbell lachte einschmeichelnd. »Absurd, nicht wahr?«
Said stimmte in sein Lachen ein. »Ja – absurd! Dann ist er also ein Verrückter!« Auf einmal erstarb das Gelächter des Generals, und er sah Eshkol ungeheuer wütend an. »Aber der Bursche, den er ermordet hat, war der Neffe meiner Frau, wissen Sie. Ich hatte nicht viel für den Mann übrig, aber wie stehe ich nun da? Nicht
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