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Die Täuschung

Die Täuschung

Titel: Die Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caleb Carr
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»Vierundzwanzig Stunden pro Tag! Ich kann diesen Ort kaum je verlassen …« Plötzlich hielt er inne, weil ihm offensichtlich ein Licht aufging. »Ah! Ausgezeichnet, Dr. Tarbell – wahrhaftig, für einen Ungläubigen geradezu genial!« Er ging zum Schuhraum und musterte Eshkol. »Wir werden ihm natürlich den Kinnbart abrasieren und den Schnurrbart stutzen müssen, aber abgesehen davon …«
    Ich tappte im Dunkeln. »Ihm den Schnurrbart stutzen?«, fragte ich. »Warum?«
    »Damit die Amerikaner denken, er sei General Said«, erklärte Slayton und lächelte, als er begriff, was Leon im Schilde führte.
    »Und ihn dann selbst töten«, schloss Larissa und sah Tarbell in freundlichem Erstaunen kopfschüttelnd an. »Eine einzige satellitengesteuerte Rakete würde genügen.«
    Said drehte sich überrascht zu Larissa um. »Welch hervorragendes Auffassungsvermögen! Und wenn man bedenkt, dass Sie eine Ungläubige und eine Frau sind, ist es doppelt so gut!«
    Larissas Geduld mit dem General schwand, und Tarbell sah es: Er fasste Said rasch am Ellenbogen und führte ihn von ihr weg. »Sein Tod wäre nicht nur eine Warnung an das Pack im Resort, sondern würde die Amerikaner auch davon überzeugen, dass Sie nicht mehr am Leben sind – sodass sie ihre Satellitenbeobachtung einstellen.«
    »Und ich kann endlich hinaus ! Ein brillanter Plan!« Said wandte sich an seine Offiziere und begann, Befehle zu bellen: »Wir werden das Dach des Theme Park Hotel benutzen – sollen die Idioten das, was davon übrig ist, ruhig auch noch in Stücke sprengen! Sagen Sie dem Manager des Casinos, dass er in einer Stunde alle Spiele unterbrechen soll. Die Gäste werden – notfalls mit vorgehaltener Waffe – nach draußen geführt, und die Leute auf den Straßen werden ebenfalls auf die Piazza getrieben, um zuzusehen!«
    In dem kurzen hektischen Durcheinander, das sich daran anschloss, befahl Slayton uns mit leiser Stimme, ihm in den Schuhraum zu folgen. Dort justierte ich die Bürstenmaschine so, dass sie Eshkols Füße gerade eben nicht mehr berührte, während Slayton dem Gefangenen ins Ohr flüsterte: »Weiter schreien, sonst werden wir alle getötet.« Eshkols Züge hatten sich zu entspannen begonnen, als die Bürste ihm nicht mehr die Haut wegkratzte, aber er verzerrte sie rasch wieder, als er begriff, was Slayton meinte. »Hören Sie zu, Dov Eshkol«, fuhr der Colonel fort. »Wir wissen, wer und was Sie sind, wir wissen, warum Sie hier sind, und wir wissen, was Sie vorhaben. Aber wenn Sie dem entgehen wollen, was der General mit Ihnen vorhat, dann tun Sie genau das, was wir sagen.« Eshkol, der hin und wieder einen halblauten Schrei ausstieß, nickte rasch, dann kehrte Slayton zu uns zurück. »Wir brauchen seinen Rucksack – so eine Bombe können wir auf gar keinen Fall bei diesen Leuten lassen. Das Plutonium sollten wir lieber auch mitnehmen. Larissa, sagen Sie Ihrem Bruder, dass er uns irgendwann in der nächsten Stunde auf dem Dach des Casinos abholen soll.«
    »Und was passiert, wenn der General seine Hinrichtung nicht bekommt?«, fragte ich.
    »Also wirklich, Gideon«, tadelte Tarbell. »Diese Frage ist Ihrer nicht würdig. Wenn der General merkt, dass aus seiner kostbaren Hinrichtung nichts wird, sind wir schon an Bord des Schiffes und über alle Berge.«
    »Oh«, sagte ich, während wir den Raum wieder verließen. »Ja, natürlich.« Ich atmete ein bisschen leichter und klopfte Tarbell sanft auf den Rücken. »Gut gemacht, Leon – Sie könnten den Eskimos Eis verkaufen, mein Freund, so viel steht fest.«
    Tarbell lachte; leise, aber dennoch hörte man sein übliches boshaftes Vergnügen. »Ja«, sagte er und blickte dabei zu mir auf, »es ist geradezu Furcht einflößend, nicht wahr? Aber ich kann einfach nicht anders, Gideon. Die großen Würfe, die Lügen, bei denen enorm viel auf dem Spiel steht – die haben so was unheimlich Erotisches! In solchen Momenten glaube ich wirklich, dass ich jeden zu allem beschwatzen könnte!«
    Selbst jetzt, während ich hier sitze und darauf warte, dass die Morgendämmerung durch die afrikanische Finsternis bricht, sehe ich das grinsende Gesicht meines hochintelligenten, seltsamen kleinen Freundes in der Flamme der Lampe, die vor mir brennt; und obwohl ich bei der Vision lächeln muss, lässt mich mein Kummer erschauern. Denn es gibt ein völlig unerotisches Gespenst, das nicht einmal jemand wie Leon von seinem verbissenen Vorhaben abbringen könnte, und es war bereits ganz in unserer

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