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Die Tage sind gezählt

Die Tage sind gezählt

Titel: Die Tage sind gezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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wiedergekommen, als es passierte. Die Sache hatte damals, im Jahre 1950, eine Menge Staub aufgewirbelt. Aber das war jetzt zwanzig Jahre her.
    »Schau«, sagte Maurice, nachdem sie die erste Manuskriptseite studiert hatte und träumend vor sich hin starrte, »ich bin mit einem wirklich heißen Thema beschäftigt. Das Thema: Ein Mann führt ein Verbrechen aus, rast mit einem gestohlenen Wagen davon und peng! Ein schwerer Unfall. Gedächtnisverlust. Er kann sich an nichts mehr erinnern. Aber die Polizei kann das sehr wohl. Und dann …«
    »Ja, ich sehe den Zusammenhang. Nur mit dem Unterschied, daß es bei dir kein Auto war, sondern ein Flugzeug. Und daß du kein Verbrechen begingst.«
    »Klar. Aber jetzt erzähl mir, was mir damals in Kanada passiert ist.«
    »Ich?«
    »Ja, du.«
    »Na, komm, Maurice, du weißt sehr gut, daß ich meine eigenen Schwierigkeiten damit habe. Als alles vorbei war, wußte ich nicht mehr als du. Meinen Namen, ja, aber alles andere …«
    »Du hast Nachforschungen anstellen lassen.«
    »Sicher. Du wurdest 1920 in Tourcoing geboren, und deine Eltern waren …«
    »Mach dich nicht lächerlich. Davor, Schätzchen, vor dem Unfall, 1950 in Kanada, he? Was war da? Mach mir nicht weis, du hättest davon keine Ahnung. Du hast nun zwanzig Jahre zuviel geschwiegen.«
    Sie fühlte sich unbehaglich, stand auf und setzte sich auf die Schreibtischkante. »In Kanada?«
    »Nun mach schon.«
    »Nein, ich weiß wirklich nichts. Aus welchem Grund sollte ich es dir verschweigen?«
    »Tja …« Maurice suchte nach Worten. »Ich habe einmal gelesen, daß Menschen ihr Gedächtnis durch einen Schock verlieren können, so wie wir … Und daß doch nicht alles aus ihrer Erinnerung verschwindet. Daß irgend etwas in ihrem Unterbewußtsein hängenbleibt, das früher oder später ans Tageslicht dringt. Zum Beispiel, wenn sie darüber reden oder träumen. Oder schreiben. Daß es zum Vorschein kommt, ohne daß sie zunächst merken, daß das, was zum Vorschein kommt, sie selbst betrifft. Verstehst du?«
    »Nnnnnnnja.«
    »Weißt du, als ich eben diese Blätter beschrieb … Ich hatte da so ein Gefühl. So ein Gefühl, wie es jeder schon mal hat … als ob ich das alles schon einmal erlebt hätte. Und dabei dachte ich mir … Ich dachte mir, ob ich nicht vielleicht schon damals, vor zwanzig Jahren in Kanada, etwas getan habe, das mir nun wieder bewußt wird? Verstehst du mich? Aber wenn du hoch und heilig dabei bleibst, daß damals nichts dergleichen geschehen ist …« Er schwieg und zündete sich eine Zigarette an.
    »Maurice …« Liliane wagte nicht, ihn anzusehen. »Es … ist wohl etwas geschehen …«
    »Aha! Und warum hast du mir dann …«
    »Als ich mich daran erinnerte, bin ich sofort zu unserem Psychiater gegangen, und der sagte mir, ich solle darüber besser kein Wort verlieren. Er war der Meinung, man solle eine längst vergessene Sache nicht wieder ausgraben. Es hätte dir möglicherweise ein Schuldgefühl gegeben, und er hielt das nicht für unbedingt nötig.«
    »Aber was habe ich denn getan?«
    »Gestohlen.«
    »Wie? Gestohlen? Daß ich darauf nicht gekommen bin. War es eine große Summe?«
    »Zwanzigtausend Dollar.«
    Maurice lachte vergnügt. »Zwanzigtausend Dollar. Nicht eben ein Pappenstiel. Und wie … bist du dahintergekommen?«
    »Durch die kanadische Polizei. Ich habe sie später angerufen, vielleicht durch weibliche Intuition, und sie erzählten es mir. Aber der Psychiater, er …«
    »Ja, ja. Aber zwanzigtausend Dollar! Wie erklärst du dir, daß man mich nicht weiter verfolgt hat?«
    »Hmm.« Liliane wußte noch mehr, das wurde ihm nun klar.
    »Das ist doch unverständlich! Es kommt sicher gelegentlich vor, daß man jemanden verfolgt, herausfindet, daß er unschuldig war, und ihn laufen läßt. Aber wie war das bei mir? Gab es keine Untersuchung?«
    »Mhmm.«
    »Wie ist das Geld zurückgekommen, Liliane? Ist es vielleicht während des Unfalls verlorengegangen, Liliane, hm?«
    »Es ist nicht zurückgegeben worden«, erwiderte Liliane eigenwillig. »Man ließ es dich behalten.«
    »Behalten?« Maurice sah sie ungläubig an. Hatte man so etwas je gehört?
    »Ja.«
    »Erzähle weiter, Frau, mach schon!«
    »Sie hatten dich schon einen Tag später geschnappt. Der Mann, dem das Geld gehörte, hatte natürlich eine Klage gegen dich erhoben, wie du dir vorstellen kannst. Als sie dich mit ihm konfrontierten, zog er sie jedoch zurück und ließ dich das Geld behalten. Man hat dich unmittelbar darauf

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