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Die Tage sind gezählt

Die Tage sind gezählt

Titel: Die Tage sind gezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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gemacht, und deshalb dachte ich …«
    »Kanada, ha?«
    »Ja.«
    »Nun, vielleicht ist es möglich. Ein Zufall. Ich kann dir beschwören, daß ich auch nicht einen einzigen Buchstaben bei irgendwem anderen abgeschrieben habe.«
    »Aber natürlich!«
    Das Telefon klingelte. Maurice stand auf und nahm ab. Es war Leon, sein Agent. Leon war bestimmt nicht aufdringlich mit seinen Anrufen, aber wenn er an der Strippe hing, mußte es schon etwas Ernstes sein. Und das war es auch.
    Maurice Lafleur wurde des Plagiats beschuldigt!
    Er legte wütend den Hörer auf die Gabel und warf Frantignac einen sauren Blick zu. »Du scheinst recht zu haben mit dem, was du mir da über dieses kanadische Buch erzählt hast, Frantignac«, sagte er, riß sein Jackett vom Haken an der Wand und rannte hinaus, die Tür hinter sich zuschlagend.
    Frantignac sah ihm mit offenem Mund nach und trank dann achselzuckend seinen Wein aus.

    Leon empfing ihn mit besorgtem Gesicht. Er half ihm aus dem Jackett und deutete dann schweigend auf einen Stuhl. »Nett, daß du so schnell warst, Maurice«, meinte er. »Es sieht nämlich ernst aus.«
    »Tatsächlich?« fragte Maurice heimtückisch.
    »Sehr ernst.«
    »Mein Kollege Frantignac war soeben bei mir. Er meinte, mein neues Buch käme ihm sehr bekannt vor. Genauer gesagt, daß er es schon einmal gelesen hat. In Kanada. Aber zum Teufel, ich verstehe nicht, wie das …«
    »Kanada sagte er?«
    »Genau.«
    »Stimmt«, sagte Leon ernst. »Die kanadische Autorenrechtskommission ist es gewesen, die dich angezeigt hat.«
    »Die kanadische was? Aber Leon!«
    »Bitte?«
    »Das Buch ist meine Lebensgeschichte! Wie kann ich die von jemandem abgeschrieben haben?«
    »Tja, wenn das sooo ist …«, gab Leon, die Hände gespreizt zu.
    »Du glaubst es also auch nicht, wie?«
    Leon biß sich auf die Lippen. »Hör zu, Maurice …«
    »Glaubst duʼs oder nicht?«
    »Ja«, erwiderte Leon gezwungen, »ja, Maurice, ich muß es wohl glauben, ob ich will oder nicht.«
    »Was meinst du damit?«
    »Ich habe all die Jahre mit Enthusiasmus für dich gearbeitet, und ich mag dich gern. Ich kann es deshalb einfach nicht verstehen, daß du von jemandem etwas klauen solltest, aber …«
    »Wo sind die Beweise, Bursche?« fuhr Maurice hoch. »Wo ist das Buch von diesem Kerl?«
    »Einen Moment.« Leon ging zu einem großen Bücherregal hinüber und kehrte mit einem angestaubten Exemplar zurück. »Hier.«
    Gesammelte Werke von René Deschamps! Maurice begann in dem Buch zu blättern, fühlte, wie sich seine Haare aufrichteten, und klappte es wieder zu.
    »Lieber Gott!« Er öffnete es erneut und begann eines der Werke zu lesen. Nach einigen Minuten schaute er auf und begegnete Leons verzweifeltem Blick. Er las die ersten Seiten des nächsten Werkes. Blätterte weiter, schaute sich die folgenden Titel an. »Aber –«, brachte er schließlich hervor. Weiter kam er nicht.
    »Möchtest du einen Schnaps?« fragte Leon hilfreich.
    »Her damit!«
    Maurice trank schnell, zündete sich eine Zigarette am Filter an, fluchte und nahm eine neue. »Aber … LʼIle Dans Le Pacifique … La Solitude Eternelle … Myriam Et Le Chevall «
    Leon antwortete nicht. Er sah ihn nur mitleidig an.
    »Sie sind es alle! Alle!« schrie Maurice.
    »Du siehst ja nun, daß ich es glauben mußte«, sagte Leon.
    »Aber das ist der reinste Wahnsinn! Wie kann das …«
    »Komm, Maurice, ich bin ein alter Freund von dir …«
    »Ich schwöre , daß ich noch niemals etwas von diesem Kerl gehört habe!«
    »Du schwörst?«
    »Absolut!«
    »Ich habe die ganze Nacht damit zugebracht, das Zeug zu lesen«, sagte Leon. »Alle Arbeiten sind völlig identisch mit deinen eigenen.«
    »Ich weiß nicht …«
    »Identisch, Mann, identisch ! Bis auf den letzten Buchstaben! Bis auf das winzigste Komma!«
    »Laß mich noch einmal hineinsehen.«
    Es gab keinen Zweifel. Maurice schlug verzweifelt das Buch zu. Dann fiel sein Blick auf die Titelseite. Gesammelte Werke von René Deschamps. Herausgegeben 1950!
    1950! Zwanzig Jahre in der Vergangenheit …
    »Wenn das alles deine Werke sind«, fragte Leon, »wie kommt es dann, daß sie nicht früher darüber gestrauchelt sind?«
    »Kanada«, sagte Maurice nachdenklich. »In Kanada wurden meine Bücher nie verkauft. Jedenfalls hieß es so. Ich hatte einmal Ärger mit einem kanadischen Verleger gehabt und seither nie wieder etwas dorthin geschickt. Mein Verleger führt nach Übersee keine Bücher aus …«
    »Dann muß durch Zufall jemand ein

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