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Die Tage sind gezählt

Die Tage sind gezählt

Titel: Die Tage sind gezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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war etwas schief, sie besaß volle Lippen und große, gesunde Zähne.
    Erik war darüber informiert, daß in alten Zeiten die Begegnung der Liebespaare von größtenteils unerwarteten Zufällen bestimmt wurde, daß sie sich ineinander verliebten, wenn die Altershormone sie darauf vorbereitet hatten. Er wußte auch, daß diese zeitweise Raserei, gefolgt von einer gesetzlich festgelegten Heirat, die nicht nur die Ehepaare unglücklich und die Kinder nervenkrank gemacht, sondern beinahe auch die ganze frühere Gesellschaft dem Untergang geweiht hatte.
    Im Gegensatz dazu hatten Tina und er sich auf die einzig richtige Art und Weise kennengelernt: Von allen Menschen innerhalb eines gewissen Umkreises waren sie nun einmal am besten füreinander geeignet. Eines der kompliziertesten Rechengehirne der Niederlande hatte dafür gesorgt, daß ihre bewußten und unterbewußten Neigungen sowie ihr Aussehen, Geschmack und Gefühl hundertprozentig aufeinander abgestimmt waren. Jede Übereinstimmung dieser Komponenten mußte zur idealen Paarungsgemeinschaft führen.
    Erik hob sein Glas und prostete ihr zu. Tina lachte und erwiderte diesen Toast. Es war eine vollkommene Vorbereitung für das, was folgen würde.
    Erik entkleidete sie und und mußte dabei die Ungeduld Vortäuschen, die er gar nicht fühlte. Daß er ihre papierene Ein-Tages-Unterwäsche zerriß, gehörte natürlich dazu. Als sie nebeneinanderlagen, begannen sie die Bewegungen auszuführen, die sie beide aus dem Handbuch kannten. Im gleichen Moment, als eine schwache Erregung Erik wirklich ergriff, fühlte er auch schon wieder die Langeweile in sich anwachsen.
    Er stellte sich vor, mit Tina verheiratet zu sein, aber für eine feste Bindung waren sie noch zu jung und von dem Alter, in dem man eine Ehe schloß – zwischen dreißig und vierzig –, noch zu weit entfernt. Zuerst galt es noch andere Phasen zu durchleben: am Anfang nur lose und kurze, später festere und längere, bis seine zukünftige Paarungsgefährtin durch Gewöhnung sich jener Verbindung, die die beste Gewähr für Standhaftigkeit bot, anpassen konnte.
    Sein Verhältnis mit Tina würde nicht mehr lange dauern, das wurde ihm jetzt immer klarer. Vielleicht war sie deswegen anspruchsvoller als gewöhnlich. Er stellte sich die neue Frau vor, die ihm zugewiesen werden würde, und sträubte sich im gleichen Moment dagegen, sich erneut an ihre Ansprüche und Eigentümlichkeiten gewöhnen zu müssen.
    Tina stand auf. Sie kleidete sich langsam an und erweckte dabei den Eindruck einer Frau, die so tief befriedigt ist, daß sie kaum mehr über die Kraft verfügt, ihre Arme zu heben. Aber um ihren Mund zeichneten sich Linien der Erbitterung ab, und sie atmete so heftig, daß es Erik deutlich wurde, wieviel unverbrauchte Energie sie unter dieser einstudierten Lässigkeit verdrängte. Auch sie war nicht damit zufrieden gewesen.
    Er gab ihr einen Kuß. Beim Abschied drückte er sie nur so lange an sich, wie es nötig war, um ihr den Eindruck zu suggerieren, als müsse sie sich unwillig nun doch von ihm losreißen.

    Die folgende Paarungsgefährtin war eindeutig der wehmütigen Ironie, die Erik im letzten Jahr entwickelt hatte, angepaßt. Sie zeigte etwas Humor, war bescheiden in ihren unmittelbaren Sehnsüchten, entwickelte aber heftiges Verlangen, wenn Erik sie auf das Bett vorbereitet hatte. Ihre Orgasmen waren überwältigend, aber auch sie verschaffte ihm dennoch nicht die tiefe Erfüllung, die er früher empfunden hatte. Irgend etwas an ihrer zügellosen Lustentladung erschien ihm so übertrieben, daß er schwerlich an deren Echtheit glauben konnte.
    Sie verließ ihn nach einer Woche, und es war das erste Mal, daß Erik am eigenen Leibe spürte, daß Rechengehirne nicht unfehlbar sind. Er nahm die Tatsache jedoch mit Ergebenheit zur Kenntnis, doch die brennende Frustration des Versagens nagte weiter an ihm und verlieh seinem Mißmut eine unangenehme Schärfe.
    Unter einigen persönlichen Dingen, die die junge Frau bei ihm zurückgelassen hatte, befand sich auch eine leuchtend kolorierte Werbebroschüre in dreidimensionaler Drucktechnik.
    E INE GUTE S EXPUPPE IST EIN G ENUSS FÜR DIE E WIGKEIT stand in flammenden Lettern auf dem Umschlag. Zuerst wollte Erik das Ding wegwerfen. Er dachte: Eine Paarungspuppe taugt nur für ein Volk, das sich lieber mit einem zugeschnittenen Traum zufriedengibt, anstatt mit jenen Mitteln, die die Natur für uns bereitgestellt hat.
    Dennoch las er weiter. Und es wurde ihm immer klarer,

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