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Die Tage sind gezählt

Die Tage sind gezählt

Titel: Die Tage sind gezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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oder Freunde verschenkte.
    Jetzt war er allerdings seit einigen Monaten beschäftigt, ohne etwas Greifbares sehen zu lassen. Boukje begann sich Sorgen zu machen. Eines Tages lud Otze sie unerwartet ein, mit ihm auf den Dachboden zu gehen. Er tat sehr geheimnisvoll, wofür er sicher Gründe hatte, denn als sie seine Werkstatt betrat, erwartete sie ein seltsames Schauspiel.
    Es war diesmal nicht das Modell einer altmodischen oder modernen Maschine, das Otze erschaffen hatte. Es war auf den ersten Blick nicht mehr als eine Ansammlung von Kugeln, die wie kleine Seifenblasen in der Dachkammer schwebten, scheinbar ohne eine bestimmte Ordnung.
    Einige der Kügelchen strahlten grelles Licht aus, andere waren dunkel, wieder andere hingen in Trauben beieinander, und dazwischen trieben, fast bewegungslos, dunkle und hellere Nebel einer unbekannten Materie.
    Otze sah Boukje an, als erwarte er ein Kompliment (oder wenigstens eine Bemerkung), aber sie begriff nicht viel von alldem und nickte deswegen lediglich ein paarmal verständnisvoll, was Otze aber offenbar nicht recht zu überzeugen schien, denn er fragte: »Siehst du nicht, was es darstellt?«
    »Nein«, erwiderte sie, »ich weiß damit nichts anzufangen.«
    »Das ist unser Sonnensystem mit einem Teil der Milchstraße und dem Rest des Universums«, klärte Otze sie stolz auf. »Ein maßstabgetreues Modell.«
    Er deutete auf die Kügelchen: »Die Sonne, die Erde, die Planeten, das Kreuz des Südens, die Cassiopeia, Arkturus, Andromeda. Einen Teil davon habe ich nur auf ein Stück sich bewegenden Packpapiers gemalt, aber das merken sie nicht, weil es zu weit von ihnen entfernt ist.«
    »Sie?« fragte Boukje überrascht. »Wen meinst du damit?«
    »Die Bevölkerung der bewohnten Planeten. Ich habe die Schöpfung nachvollzogen«, sagte Otze stolz. »Die Geschwindigkeit des Lichts habe ich natürlich ändern müssen. Ihre Zeitrechnung ist deswegen anders als unsere. Diese von mir geschaffene Welt ist nun achtzig Tage alt, aber nach ihrer eigenen Zeitrechnung ungefähr zwei Milliarden Jahre. Diese kleine Erde hier dreht sich in einer dreitausendstel Sekunde unserer Zeitrechnung einmal um die Sonne. Ich kannʼs natürlich noch genauer für dich ausrechnen …«
    »Nein, nein, laß nur, mir ist das doch zu kompliziert«, sagte Boukje. »Aber was soll das alles?«
    »Es ist erstaunlich, wie schnell sich das Völkchen auf dieser Erde entwickelt«, sagte Otze, ohne auf ihre Frage einzugehen. »Das geht so schnell, daß ich die ganze Entwicklung einige Male habe anhalten müssen, damit mir nicht zuviel entging. Jetzt geht das übrigens nicht mehr. Sie würden das merken. Am Anfang warʼs ziemlich langweilig; ich hatte ein paar ausgebrannte Kerne aus dem Laboratorium mitgenommen und zwischen mehreren, einander aufhebenden Gravitationsfeldern plaziert. Ich habe mich dann ein paar Tage lang nicht mehr drum gekümmert, denn es geschah weiter nichts, als daß sich alles ausdehnte, weitete, und viel zu sehen gabʼs dabei nicht. Aber plötzlich stellte ich fest, daß einige der Kernkügelchen kleine Körper abgestoßen hatten, die abzukühlen begannen. Ich habe sie abgesondert und einer Untersuchung unter dem Mikroskop unterzogen. Und was denkst du, war da entstanden? Leben! Pflanzenwuchs! Jedenfalls so etwas Ähnliches.«
    »Du meinst, die Kügelchen setzten Schimmel an«, sagte Boukje.
    »Das ist reichlich vereinfacht ausgedrückt«, erwiderte Otze ein wenig beleidigt. »Es entstand Leben! Ich hatte Leben geschaffen! Unsere Schimmelpilze sind einfach zu groß, um auf diesen Kügelchen zu existieren, das mußt du doch verstehen. Es ist eine eigene Art von Leben, mikroskopisch klein, aber durch ein Mikroskop kann man es eindeutig ausmachen. Farn, riesiges Farnkraut, jedenfalls für die dortigen Verhältnisse. Und Bäume, später auch ganz seltsame Tiere. Die hatte ich überhaupt nicht erwartet. Weißt du«, fuhr er geheimnisvoll fort, »die Dinge fingen damit an, sich aus sich selbst zu entwickeln. Tiere, die in Sümpfen lebten und solche, die in Wäldern hausen. Zuletzt entstanden kleine nackte Geschöpfe, die uns gleichen. Und es gibt sie immer noch.«
    Er sah seine Frau beifallheischend an.
    »Und zu was soll das alles gut sein?« fragte Boukje mürrisch. »Was willst du nun damit anfangen?«
    »Ich will gar nichts damit anfangen, aber sie wollen was. Sie arbeiten unheimlich schnell. Anfangs habe ich die Sache ein paarmal angehalten, aus Neugierde, und jetzt möchte ichʼs gern, weil ich

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