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Die Tage sind gezählt

Die Tage sind gezählt

Titel: Die Tage sind gezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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allmählich Angst davor habe, daß sie wie ein Uhrwerk ablaufen werden.« Otze lachte. »Weißt du, dort auf dieser kleinen Erde gibt es auch ein Franeker und eine Universität. Die Universität ist aber schon lange geschlossen. Verrückt, nicht? Das müßten unsere Professoren wissen. Die würden endlich mal ʼne Tonlage leiser singen. Und es gab dort auch einen Burschen, der ein Planetarium gebaut hat, ein ziemlich primitives. Das wird dort jetzt den Touristen gezeigt. Eyse Eysinga hieß der Erbauer. Er ist schon einige hundert Jahre tot.«
    »Otze Otzinga«, sagte Boukje jetzt ziemlich scharf. »Du spielst mit dem Feuer. Du bist ein Pfuscher, kein Forscher. Du weißt gar nicht, was du tust.«
    »Das wissen sie auch nicht«, kicherte Otze. »Und sie wissen, daß sie nichts wissen. Sie sind alle Agnostiker, genau wie ich. Erst haben sie eine Zeitlang an mich geglaubt, aber das ist jetzt auch vorbei.«
    »An dich? Wieso an dich?«
    »Ich kann nichts dafür«, verteidigte sich Otze verlegen. »Sie haben für kurze Zeit ihren Schöpfer angebetet. Na, das war eben ich. Ich war so ʼne Art Heiliger für sie. Wieso auch nicht?«
    »So, warst du das?« Boukje kam einen Schritt auf ihn zu und ballte die Fäuste. »Was warst du? Ein Scheinheiliger warst du! Ein schöner Schöpfer! Zu dumm fürʼs Gymnasium! Weißt du, was du bist, Otze? Ein Hochmütiger, ein Ungläubiger, ein Gotteslästerer! Mit dir wird es noch einmal böse enden!«
    »Ich darf doch wohl auch mal eine Welt nach eigener Vorstellung erschaffen«, nörgelte Otze. »Das ist doch nicht verboten! Ich habe ja schließlich den Schöpfer nicht imitieren wollen. Und ganz genau so ist es ja auch nicht geworden.« Seine Worte endeten in einiger Betretenheit.
    »Um so schlimmer«, meinte seine Frau. »Dann bist du eben vom göttlichen Plan abgewichen. Dann hast du dich an den Teufel verkauft!«
    »Ach was!« stieß Otze hervor. »Das ist Weibergeschwätz. Der Schöpfer ist auch nicht anders an seine Arbeit gegangen. Und ihm ist die Sache auch aus den Händen gerutscht, da hatte kein Teufel die Finger mit im Spiel. Wir sind selbständig geworden – genau wie die da! Nur – und das ist verrückt – die letzten Tage geht es partout nicht mehr voran. Schau dir das doch einmal an.« Er reichte Boukje ein Vergrößerungsglas.
    »Von dort haben sie zuerst kleine Dingerchen in die Richtung ihres Mondes geschossen. Eins ist schon ganz drumherum gewesen; danach begannen sie mit einem Planeten, dicht bei ihrer Sonne. Dann bei einem viel weiter entfernten, und das scheint auch zu gelingen, aber viel weiter schaffen sieʼs einfach nicht. Das ist alles genau wie bei uns. Woran kann das nur liegen?«
    »Das liegt daran, daß du nicht weiter denken kannst als bis zum Ende deiner Nasenspitze«, sagte Boukje entschieden. »Die Wesen scheinen selbständig zu sein, aber das sind sie nicht! Sie sind abhängig von dir, wie auch du abhängig bist von …«
    »… anderen Wesen«, sagte Otze. »Als ob man sich zwischen zwei Spiegel stellt. Man sieht sich selbst stets widergespiegelt, sieht, wie man immer kleiner zu werden scheint. Was man nicht sieht, sind diejenigen, die immer größer werden.« Er schauderte. »Aber wer weiß, ob der Kleinere nicht doch noch viel mächtiger werden kann.«
    Boukje legte eine Hand auf seine Schulter. »Komm, Otze«, meinte sie. »Nimmʼs dir nicht so zu Herzen. Du sagst doch selbst, daß da nichts passiert. Sie kommen nicht voran. Sie haben uns noch nicht überholt. Ich wette, daß sie nicht weiter kommen als deine Phantasie reicht.« Ihre Stimme klang nun beinahe mitfühlend. »Und wenn sie es versuchen sollten …«
    Sie beendete den Satz nicht und sah auf ihre Armbanduhr. »Es ist Zeit, du mußt ins Laboratorium. Du mußt dich sogar beeilen. Ein Spaziergang an der frischen Luft wird dir guttun.«
    Sie ging mit ihm die schmale, rotgestrichene Treppe hinunter und sah ihm nach, bis er an der nächsten Straßenecke aus ihrem Gesichtsfeld verschwand. Als er nicht mehr zu sehen war, setzte Boukje sich mit besorgtem Gesicht in den bequemen Stuhl beim Ofen. So überzeugt, wie sie es Otze hatte weismachen wollen, war sie nicht von dem guten Fortgang.
    Mit Otze war in letzter Zeit nicht alles in Ordnung: Er war zu zerstreut, zu oft in Gedanken versunken, erging sich in scharfen Ausfällen über seine niedrige gesellschaftliche Position, ärgerte sich darüber, daß man ihn verkannte, und war davon überzeugt, daß Menschen seines Schlages – geniale Erfinder

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