Die Tage sind gezählt
»Geschlagene dreißig Jahre auf einen Gegner zu warten, der nicht eintrifft, kann zudem starke Auswirkungen auf die Psyche der Besatzung gehabt haben.«
Calvins Synthohände falteten die Unterlagen zusammen und hakten sich ein. »Ich werde hinübergehen und einen direkten Kontakt versuchen. Das ist wahrscheinlich die beste Möglichkeit.«
»Gut. Nehmen Sie dazu zwei nonCobs mit.«
Luccar ließ die Konversation an sich vorüberziehen, ohne von ihr große Notiz zu nehmen. Das Gerede langweilte ihn. Statt dessen lehnte er sich in seinen Sessel zurück und beschäftigte sich mit Evyn, einer hübschen Blondine, und versuchte, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Aber Evyn hatte keine Augen für sein Gesicht und seinen sehnigen Körper, was Luccars Narzißmus einen harten Schlag versetzte. Er fühlte sich schmerzlich daran erinnert, daß er viel älter war als sie, auch wenn er noch immer über den Körper eines Zwanzigjährigen verfügte. Mißmutig dachte er an jene Zeiten zurück, in denen es für ihn noch keine Begrenzung bezüglich der Formgebung ihrer Tierdiener gegeben hatte. Damals war es eine Kleinigkeit gewesen, ihnen das Aussehen menschlicher Mädchen zu verpassen. Aber das war nun vorbei.
Evyn war eigentlich sowieso zu jung für ihn. Sie durchlief momentan wieder eines ihrer pseudointellektuellen Stadien, verfolgte zu seinem Mißvergnügen intensiv die Diskussionen, die anfangs stets in gemäßigtem Ton geführt wurden, später jedoch regelmäßig in Streit ausarteten, denen Horley ebenso regelmäßig ein Ende bereitete.
Horley war ein kleiner, untersetzter Mann, dessen sympathische Züge eine angebliche Fröhlichkeit ihres Besitzers verrieten. Sie bildeten jedoch einen seltsamen Kontrast zu seinen harten und kalten Augen, die Aufschluß darüber gaben, daß er keineswegs freundlich, sondern innerlich zerfressen wie kein zweiter in dieser Runde war.
Auch diesmal schaltete er sich mit einer verächtlichen Gebärde in das Gespräch ein. »Alles elendes Geschwätz«, knurrte er und fügte hinzu: »Es stehen ganz andere Probleme an! Die Tierdiener werden wieder aufmüpfig. Sie haben einen Sprecher gewählt, der von mir mehr Nahrung forderte. Forderte! Stellt euch das mal vor!«
Luccar sprang auf. Das Blut schoß in seinen Kopf. Endlich bot sich ihm eine Chance, die aufgespeicherte Wut offen auszutoben. »Und?« fauchte er. »Was hast du ihnen darauf erwidert?«
Horley öffnete den Mund zu einem breiten Grinsen. »Ich habe ihm die Därme herausgebrannt«, erwiderte er gut gelaunt. »Gab ihm einen Kuß mit meinem Flammenrevolver. Aus zwei Meter Entfernung. Du kannst dir sicher vorstellen, wie die Viecher quiekten. Es war einer von diesen vierarmigen Kerlen mit den Hängebäuchen. Du hättest ihn gurgeln hören sollen, Mann. Wirklich, das war ʼne starke Szene!«
Luccar nahm wieder Platz. »Gut so«, murmelte er verbissen. Er fühlte, daß die Frustration wie Eiswasser in ihm hinunterglitt. Dieser Horley war einfach zu schnell, zu schade, daß sie auf ihn angewiesen waren. »Die Biester brauchen endlich mal eine gründliche Lektion.« Er sah auf. »Wir sollten ihnen endlich ein für allemal beibringen, wer hier das Sagen hat. Hat jemand eine gute Idee?«
Riana sah ihm geradewegs in die Augen. Nicht zum ersten Mal schreckte Luccar vor dem fiebrigen Glanz ihres Blicks ein wenig zurück.
»Es ist lange her, seit wir uns mit ihnen ein echtes Vergnügen leisteten«, warf sie sanft ein. »Wir werden viel zu weich – wir alle. Erinnert ihr euch noch, wie wir einen von ihnen in einen durchsichtigen Tank sperrten und mit dem zellzerstörenden Serum behandelten? Laßt uns das doch mal wiederholen!«
»Das war doch wohl etwas zu hart«, protestierte Evyn mit schreckgeweiteten Augen. »Sie haben doch schon ihre Lektion von Horley erhalten. Warum belassen wir es für dieses Mal nicht dabei?«
Es ist wahr , dachte Luccar, wir werden zu weich . Bevor er etwas sagen konnte, meinte Claudan, seinen Sessel in Evyns Richtung drehend und ihr einen spöttischen Blick zuwerfend: »Als wir unseren Bund gründeten, wußten wir, weshalb wir das taten. Damals haben wir uns Maßstäbe gesetzt, die wir um jeden Preis einhalten wollten. Der Unterschied zwischen uns und ihnen ist, daß wir Menschen sind und sie Tierdiener. Wir sind Menschen – sie jedoch mißglückte Experimente. Nicht mehr.«
»Aber dafür können sie doch nichts. Schließlich haben wir sie erschaffen. Sie sind Produkte unserer eigenen Zellen!«
»Na und? Wenn
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