Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
Deutschland bisweilen billiger als in Italien.
Abbildung 4.2: Reale Auf- und Abwertungen im Euroraum (1995–2007)
* Belux: Belgien und Luxemburg.
Bemerkung: Im Falle Italiens schließt die reale Aufwertung die elfprozentige offene Aufwertung der Lira aus dem Jahr 1995 ein. Bei den anderen Ländern entstehen die Auf- und Abwertungseffekte allein durch Preisänderungen. Alle Zahlen zeigen handelsgewichtete Effekte relativ zu den Wettbewerbern im Euroraum.
Quelle: Europäische Kommission, Economic and Financial Affairs, Economic Databases and Indicators , Price and Cost Competitiveness, Quarterly Real Effective Exchange Rates vs (rest of) EA17, Price Deflator GDP, Market Prices.
Man kann nun ausrechnen, um wie viel Prozent die einzelnen Euroländer in der betrachteten Zeitspanne relativ zu ihren jeweiligen Handelspartnern im Euroraum teurer oder billiger wurden, wenn man die anfängliche Wechselkursanpassung und die Preisänderungen zusammennimmt. Das Ergebnis wird in Abbildung 4.2 dargestellt. Man sieht, dass alle Krisenländer erheblich aufgewertet haben. Spitzenreiter sind Italien mit 27 % und Irland mit 37 %. Für Italien ist der Prozentsatz der Aufwertung kleiner als die erwähnten 44 % gegenüber Deutschland, weil manche der Handelspartner Italiens auch aufwerteten.
Der letzte Balken in der Abbildung zeigt die gemeinsame Aufwertung im Euroraum, wenn man alle sechs Krisenländer zusammennimmt. Dabei sind die betrachteten Länder rechnerisch wie ein Land behandelt worden, und die Zunahme des durchschnittlichen Preisindex dieser Länder gegenüber dem handelsgewichteten Rest des Euroraums wurde berechnet. Die Rechnung zeigt eine Aufwertung um immerhin 29 %.
Ältere Leser werden sich vielleicht noch an die Diskussion um die deutsche Aufwertung von 1961 erinnern. Damals wurde die D-Mark nur um 5 % gegenüber dem Dollar aufgewertet, und doch war der Protest der deutschen Industrie riesig. Man befürchtete, seine Absatzmärkte zu verlieren, und prognostizierte eine drastische Zunahme der Arbeitslosigkeit. Diese Erinnerung mag helfen, die Bedeutung der 29-prozentigen Aufwertung für die Wettbewerbsfähigkeit der Krisenländer einzuschätzen.
Deutschland hat gegenüber dem Rest des Euroraums in der betrachteten Zeitspanne handelsgewichtet um 21 % abgewertet. Die reale Abwertung im Euroraum ist der Hauptgrund dafür, dass Deutschland seine Eurokrise überwunden hat und wieder wettbewerbsfähig wurde. Wie im zweiten Kapitel beschrieben wurde, war dies wahrlich kein Zuckerschlecken. Die Massenarbeitslosigkeit und die schmerzlichen Sozialreformen der Regierung Schröder haben diese reale Abwertung durch eine Lohnzurückhaltung hervorgebracht. So sehr dies dazu beigetragen hat, den deutschen Arbeitsmarkt wieder zum Erblühen zu bringen, so groß war die Belastung, der die Gesellschaft seinerzeit ausgesetzt war.
KEINE FORTSCHRITTE
Hat der Prozess der Änderung der relativen Preise vielleicht schon stattgefunden? Ist der Euroraum auf gutem Weg zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der südlichen Länder?
Manche Bankvolkswirte wollen das glauben machen, denn wenn sich die Länder bewegen, dann gibt es ja die Hoffnung, dass man sie nicht ewig mit öffentlichen Mitteln finanzieren muss, und dann können die noch gesunden Staaten ihr Portemonnaie auch noch weiter öffnen, um den Anlegern die Staatspapiere der südlichen Länder abzukaufen. (Insofern ehrt es die Goldman-Sachs-Volkswirte, dass sie die Dinge nicht beschönigen.) Diese Volkswirte verweisen gerne darauf, dass die sogenannten Lohnstückkosten in den südlichen Ländern schon teilweise gefallen sind, was als erstes Zeichen einer realen Abwertung zu werten ist.
Indes sind Lohnstückkosten das falsche Maß. Lohnstückkosten sind als Quotient aus Lohnsätzen pro Person und durchschnittlicher Arbeitsproduktivität definiert. Geht ein Land in die Krise, brechen zunächst die weniger produktiven Arbeitsplätze weg, sodass die Restmenge der verbleibenden Arbeitsplätze eine höhere Produktivität hat. Das erklärt die Beobachtung der fallenden Lohnstückkosten maßgeblich. Ein bloßes statistisches Artefakt, das mit einer wirklichen Verbesserung der Produktivität nicht viel zu tun hat. Wir kennen dieses Phänomen aus Deutschland, wo sich in der Krise bis 2005 die Lohnstückkosten ebenfalls wegen des Wegfalls der weniger produktiven Arbeitsplätze aus der Statistik verbessert hatten, ohne dass man daraus irgendwelche Hoffnungen ableiten konnte.
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