Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tarnkappe

Die Tarnkappe

Titel: Die Tarnkappe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Orths
Vom Netzwerk:
Für oder gegen die Kappe. Ich hab es geschafft.« Gregor zeigte auf Simons Schädel. »Ich würde sagen, noch fünfmal, vielleicht sechsmal kannst du die Kappe aufsetzen, und danach musst du dich entscheiden, mein Lieber, ob du sie ein letztes Mal aufsetzt oder ob du sie nie mehr aufsetzt. Du wirst dich verlieren, wenn du sie einmal zu oft aufsetzt. Wie süchtig bist du schon? Ruft sie dich? Lockt sie dich? Das ist die Folge des Verschwindens. Verschwinden, die Macht spüren, im Verborgenen Fäden ziehen. Wie groß ist der Schmerz?«
    Simon schwieg.
    »Der Schmerz. Wenn du sie abziehst, die Kappe?«
    »Wird immer größer.«
    »Er wird irgendwann so groß sein, dass du sie nicht mehr abnehmen kannst , die Kappe, weil der Schmerz dich sonst in Stücke reißt.«
    Jetzt stand Gregor auf. Simon ebenso. Sie maßen sich mit Blicken. Wie bei einem Duell. Spiel mir das Lied vom Tod. Simon trat leicht mit dem Bein auf, der Schmerz im Knie ließ nach, er sah sich um. Er stand mit dem Rücken zur Wand. Gregor kam noch näher. Brachte sein Gesicht zu Simon, und der sah in Gregors Augen das Flackern, das ihm schon bei ihrer ersten Begegnung aufgefallen war, etwas Wirres, aber mit einem Schlag wurde das Flackern durchbrochen von seltsamer Kälte, sein Mund verzerrte sich, und Gregor legte seine ganze Nachdrücklichkeit in die Worte: »Du musst sie vernichten.« Simon schwieg. »Du musst das Ding vernichten. Wenn du es nicht tus t … Ich hab es nicht gekonnt, verstehst du. Ich hab es versucht. Aber es ging nicht. Ich hab sie zu lang getragen. Sie hat dich im Griff, wenn du sie zu lange trägst. Sie kann verhindern, dass du sie vernichtest. Du denkst, ich bin verrückt, ich bin es nicht. Du denkst, ich rede von der Kappe wie von einem lebenden Wesen. Aber ich konnte sie nicht vernichten, ich konnte sie nur jemand anderem bringen. Ich konnte sie nur dir bringen. Für dich ist es noch nicht zu spät. Ich kann dir helfen, aber du musst es tun, ich kann dabei sein, wenn du es tust, aber du musst sie vernichten.« Gregor kam Simon jetzt so nah, dass die Nasenspitzen sich beinah berührten, und dann sagte er: »Wo ist das Biest?«
    Simon wich zurück, zur Wand, er hatte Angst, dass die Wand plötzlich aufsprang wie das Maul eines Wals und ihn mitsamt allem, was er war und hatte, verschlang, eine Angst vor Gregor, vor diesem halb verrückten Wesen, das in Wirrheit und Schärfe sprechen konnte, und diese Angst war die Angst, Gregor könnte ihm die Kappe nehmen. Niemals!, dachte Simon. Egal, was passiert, niemals gebe ich ihm die Kappe, aber ich muss ihn irgendwi e …, wenn ich jetzt die Wahrheit sage, wird er sie an sich reißen, er wird zu Miriams Briefkasten fahren und ihn aufbrechen, wird mich hier einsperren, er ist stärker als ich, ist er das? Gut, dass ich den Brief mit dem Schlüssel nicht an mich selbs t … Was will er nur? Ich muss, ich will, ic h … »Nein«, sagte Simon, »nein, ich werd es dir nicht sagen.«
    »Hast du sie bei dir?«
    »Dann hätte ich sie auf.«
    Simon spürte, dass er mit Gregor längst in einem Ring stand und sie miteinander kämpften, er, weil er die Kappe nicht verlieren, und Gregor, weil er die Kappe vernichten wollte. Deshalb rief Simon jetzt noch einmal: »Ich will wissen, was das für ein Ding ist! Und wo du sie her hast!«
    »Es geht nicht darum, wo sie herkommt«, sagte Gregor, »es geht darum, was wir jetzt tun. Ich hab sie bei dir versteckt, mein Lieber, bei wem sonst? Ich wollte sie mir wieder holen. Ich hab gedacht: Wenn mein Kopf heilt, wenn die Wunden heilen, kann ich sie wieder aufsetzen, die Kappe. Ich hab gedacht: Ich hol sie mir zurück, irgendwann. Das war der Plan. Ich hab gedacht, wenn ich wieder klar bin, wenn ich wieder gesund bin, wenn die Wunden auf meinem Kopf verheilt sind, dann hol ich mir die Kappe zurück. Aber«, Gregor riss sich mit einem Ruck das Kopftuch vom Schädel, »sie heilen nicht, die Wunden! Sie werden nicht heilen! Nie wieder!« Gregors Kopf war kahl, Simon sah etliche Narben, schiefe Stiche in der Haut, Krusten, Entzündungen, blaue, tiefrote Stellen, aber er wollte sich nicht einschüchtern lassen, alles, was Gregor erzählte, schien ihm nur neue Ablenkung zu sein. Und Simon sagte jetzt ganz leise: »Zum allerletzten Mal: Woher hast du die Kappe?«
    Gregor schwieg.
    »Du hast sie in Mexiko gefunden?«, fragte Simon.
    Gregor lächelte.
    » GS ? Gregor Strack? Great Searcher? Du warst mit dem Liliputaner dort? Wie hieß der? Sebastian? In Calakmul?«
    Gregor

Weitere Kostenlose Bücher