Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
betrübt über den Verlust ihrer Fähigkeiten war. Bei Gott, was für eine Last hatte dieses Kind nach dem Tod seiner Mutter tragen müssen, gefangen in einer Welt düsterer Bilder und Ahnungen! Lunetta strich sich die Haare aus dem Gesicht und schaute sie fest an. »Dennoch weiß ich, dass der Padre in Santiago ist. Er kam heute Morgen, um mit meinem Vater zu sprechen.«
Sidonia legte aufgeregt ihre Hand auf die Lunettas. »Er war hier? Worüber haben sie gesprochen?«
Lunetta zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht, aber sie hatten einen Streit. Nur der Padre würde es wagen, meinem Vater zu widersprechen.«
Sidonia presste die Karte an ihre Brust und sprang vom Stuhl auf. »Wo ist Fadrique nun?«
»Er wollte zum Palast des Erzbischofs.«
Sidonia lief im Hof auf und ab. Ein Windstoß hob ihre Röcke und ließ ihr Haar tanzen. Schließlich blieb sie stehen.
»Ich muss ihn sehen, ich muss zu Fadrique.« Sie lief zum Tor und entriegelte es.
»Warte, ich komme mit«, rief Lunetta ihr hinterher, während Sidonia in die lebhafte Gasse eintauchte.
2
Höchst widerwillig entstieg Bischof Tavera dem Tragsessel, mit dem ihn seine Leibgarde zu dem Kloster der Reuerinnen gebracht hatte. Bauern trieben Ziegen durch die Straße zum Markt, hohe Wagen, beladen mit Fischen, rumpelten über das Pflaster. Schwerfällig wichen sie den Abfallhaufen aus, die sich hier vor Santiagos Stadtmauern türmten.
Der Bischof hielt sich ein parfümiertes Taschentuch vor die Nase und schaute an der düsteren Steinfassade des Konvents empor. Zweifelnd sah er sich zu seinen Männern um. »Seid ihr sicher, dass Fadrique mich hierher bestellt hat?«
Einer der Soldaten nickte stumm. Tavera seufzte, raffte sein Übergewand und trat an das Tor. Gebieterisch hieb er den Klopfer gegen das Holz. Eine Nonne schlug einen kleinen Holzladen zurück und schaute lauernd heraus. Es war Estrella, genannt Schwester Katharina, die Tochter der Wäscherin. Sie errötete, als sie den Besucher erkannte, und öffnete mit fliegender Hast die Riegel. Als Tavera den Hof des Konvents betrat, verneigte sie sich,.
»Zu Fadrique«, sagte der Erzbischof knapp und betrachtete einige Schwestern, die beim Brunnen standen. Sofort stoben sie auseinander und eilten zur Kapelle.
»Haben die keine Beschäftigung?«, fragte der Bischof scharf.
Estrella, die ihn zu einem Trakt an der Stirnseite des Hofes führte, beeilte sich, eine Erklärung zu geben. »Sie sind verstört, Euer erzbischöfliche Gnaden. Die Qualen unseres verehrten Beichtvaters bekümmern uns.«
»Aleander ist nicht mehr euer Beichtvater. Er ist aller Ämter enthoben. Sein Orden berät über seinen Ausschluss und will die Erlaubnis vom Papst dazu einholen. Unser Heiliger Vater wird sie erteilen, sobald er aus seiner Gefangenschaft freikommt.«
Die Nonne senkte betroffen den Kopf. »Ist das wahr?« Tavera nickte streng. »Es ist wahr und gerecht. Oder zweifelst du daran?«
Die Frau neben ihm sank in die Knie, griff nach der Hand des Bischofs und küsste seinen Ring. »Nein, ich, wir alle danken Euch.«
»Dankt dem Herrn! Dazu seid ihr hier.« »Und was will Padre Fadrique von Bruder Aleander?« »Du bist zu neugierig für eine Nonne! Ich bin gekommen, um mit dem Padre zu sprechen, nicht mit dir.«
Estrella erhob sich und öffnete eine schmale Pforte. »Ihr findet ihn in der Krankenzelle dort.«
Tavera folgte dem Hinweis der Frau und öffnete eine weitere Holztür. Der Gestank, der ihn empfing, raubte ihm den Atem. Es war ein Gemisch aus Eiter, Blut, verbranntem Fleisch und ätzenden Dämpfen. Tavera schwindelte, er drückte das Taschentuch fester auf seine Nase und betrat den dunklen Raum. Als seine Augen sich an das schwache Licht gewöhnt hatten, sah er zwei Mönche, die neben einem Bettgestell knieten. Auf dem Bett lag Aleander. Einer tauchte ein Brandeisen in einen Eimer Wasser. Es glühte zischend aus. Die Ärmel seiner Kutte waren hochgerollt, seine Hände blutverschmiert. »Mehr kann ich nicht tun, Fadrique«, sagte er und wusch seine Hände in einer Schüssel mit Wasser. »Und nun lass mich nach deinem Arm sehen.«
Der Padre, der neben ihm kniete, seufzte. »An mir hast du Wunder vollbracht.« Gabriel löste den vom Schwerthieb verletzten Arm Fadriques aus der Schlinge und begutachtete ihn kurz.
»Du musst ihn schonen, und vergiss nicht die Waschungen mit Essig und Lorbeeröl.«
Der Padre nickte. »Du hast mehr als genug getan, Gabriel. Ich danke dir. Wie geht es mit Aleander
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