Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
weiter?«
»Er ist zäh, zäher als viele. Er hat den Blutverlust überlebt, genau wie die schmerzhafte Kauterisierung mit dem Brandeisen. Ich habe die Blutung mit Kupfervitriol zum Stillstand gebracht. Er wird Narben davontragen, aber wenn die Wunde dreimal am Tag verbunden wird, besteht Hoffnung. In Paris lernte ich, dass man Schimmelpilze auf Schafskot und Honig zu züchten vermag, die dem Wundbrand entgegenwirken. Wenn die Wunde sich zu schließen beginnt, muss sie mit einer Salbe aus Zinnoxid und Kräutern bestrichen werden. Gegen die Schmerzen kann ich ihm Mohnsafttränen und die Essenz einer Pflanze geben, die ich in der Neuen Welt kennen lernte. Ihre Blüte erinnert an eine Trompete, und ihre Säfte sind wirkungsvoller als der Stechapfel, die Indios ...«
Tavera räusperte sich. »Mit Verlaub, gebt ihr euch nicht ein wenig zu viel Mühe mit einem Mann, der dem Tod geweiht ist? Und vergesst nicht, dass die Kirche alle Mittel der Betäubung verbietet. Schmerzen demütig zu ertragen ist Christenpflicht.«
Der Padre wandte den Kopf. »Euer erzbischöfliche Gnaden, es ist immer gerecht, einem Leidenden beizustehen, und dieser Mann hier«, er deutete auf Zimenes, der sich ebenfalls aufrichtete, »ist ein fantastischer Arzt und ein noch größerer Christ. Er hätte Grund genug, Aleander sterben zu lassen.«
Tavera runzelte die Stirn.
»Und wäre das nicht besser? Oder willst du einen vollständigen Prozess gegen diesen Teufel?«
Er deutete auf den benommenen Aleander, der nackt auf dem Lager lag und dessen Rücken eine einzige Wunde war. In einer Schüssel schwammen eitrige Tücher und verpesteten die Luft. Gabriel nahm sie und trug sie aus der Zelle. »Ich werde eine Nonne anweisen, uns Wasser, Lavendel und Rosenessenz gegen den Geruch zu bringen«, sagte er und verschwand.
Der Padre sah Tavera an. »Euer erzbischöfliche Gnaden, was soll das für ein Prozess sein, bei dem die Schuld des Angeklagten von vorneherein feststeht?«
»Tut sie das nicht? Die Klageschrift, die der Kaiser unterzeichnet hat, ist ausführlich. Aleander hat sein Amt als Chefankläger der Inquisition missbraucht, um Todesurteile gegen unschuldige Bürger und Bürgerinnen zu fällen. Er muss sich vor der Inquisition verantworten, und wenn er nicht geständig ist, wird er der härtesten aller Foltern unterzogen ...«
Padre Fadrique nickte. »Ich weiß, was die Inquisition ihren Opfern anzutun vermag.«
»Dann musst du als Zeuge gegen ihn aussagen!«
»Das werde ich nicht tun. Ich bat euch heute hierher, um für das Leben Aleanders zu bitten.«
Tavera prallte zurück. »Wie?«
Fadrique lächelte. »Ihr wisst, dass ich ein Gegner der Inquisition bin. In keinem Fall, auch nicht in dem Aleanders, würde ich diesem so genannten Glaubensgericht in die Hände arbeiten.«
»Aber dieser Teufel soll eine unbescholtene Jungfrau verführt und geheiratet haben, um sich das Vermögen seines Bruders zu erschleichen.«
»Ich sprach heute Morgen mit dem Bruder. Er ist bereit, seine Klage fallen zu lassen, wenn Aleander zur lebenslangen Buße in ein Eremitenkloster eintritt. Ich kenne einen Schweigeorden von strengster Observanz und mit sehr festen Gittern.«
Wie zur Antwort stöhnte der Verletzte auf. Keiner seiner Besucher beachtete es.
Tavera riss ungläubig die Augen auf. »Der Ritter von Löwenstein will auf seine Rechte verzichten? Er will gegen die Empfehlungen des Kaisers handeln?«
»Der Ritter von Löwenstein ist Aleanders Bruder! Ich führte ihm vor Augen, dass nichts Gutes daraus entsteht, wenn er ihn tötet. Kain erschlug den rechtschaffenen Abel, aber Abel darf nicht Kain erschlagen, das ist die Botschaft der Bibel.«
Tavera schnappte nach Luft, bereute es und drückte sich wieder sein Taschentuch vor den Mund. »Du bist ein verbohrter Mann, Fadrique. Wollte Aleander nicht sogar die Tochter des Ritters als Hexenkind verbrennen?«
Wieder nickte der Padre. »Ja. Und es muss ein Ende haben mit diesen wahllosen Anschuldigungen.«
»Die Anschuldigungen gegen Aleander entsprechen der Wahrheit!«
»Begreift doch, wenn die Inquisition den Mönch Aleander als Ketzer verurteilt, bleiben ihre Macht und ihr Recht, Menschen im Namen des Glaubens zu verteufeln, unangetastet. Gegen diese Macht anzutreten war mein Leben lang meine Berufung. Wir müssen einen anderen Weg als den der Inquisition gehen, den Weg der Gnade.«
Tavera kniff die Augen zusammen. »Wenn Aleander seiner Strafe entgeht, wird man lediglich sagen, die Inquisition habe
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