Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
Ein Mantel in den Farben des Kaisers umwehte ihn wie die Schwingen eines Adlers. Auf seinem Brustpanzer leuchtete ein Wappen. Es war das Wappen des Grafen von Löwenstein.
Zimenes ließ die Arme sinken und drehte sich um. Er schien zu zögern, dann neigte er ergeben seinen Kopf in Richtung des Ritters. »Willkommen zurück in Santiago, Conde. Ich hatte Euch früher erwartet.«
»Der Kaiser konnte sich erst im letzten Augenblick zu einem Entschluss durchringen. Ich trage eine Klageschrift gegen meinen Bruder Aleander mit mir. Der Tod ist ihm sicher. Meine Leute und ich ritten wie die Teufel, um schnell zurück zu sein, aber wie ich sehe, hattest du einen zweiten Plan, um den Padre zu retten.« Er trat an das Katapult heran. »Ein Meisterwerk. Corriano ist sein Geld wert, er sollte sich ganz auf die Waffenproduktion verlegen.«
»Ich nahm das Geld für diese Vorrichtung von Eurem Vermögen«, antwortete Gabriel, »und bezahlte Corrianos Werkstatt, ich hoffe ...«
Bevor er weitersprechen konnte, wandte Fadrique sich an Zimenes. »Komm mit mir, Gabriel. Ich brauche dich.«
»Nein«, schrie Sidonia und streckte die Hand nach Gabriel aus. »Du kannst mich nicht allein lassen!«
»Keine Angst, Sidonia van Berck, von nun an werde ich mich um dich kümmern«, sagte der Ritter Adrian von Löwenstein und trat wie ein dunkler Schatten an ihre Seite.
Fünfter Teil
S ANTIAGO DE C OMPOSTELA, IM O KTOBER 1527
W ÄHREND DES GANZEN L EBENS MUSS MAN FORTFAHREN,
LEBEN ZU LERNEN, UND,
WAS EUCH NOCH MEHR ERSTAUNEN WIRD, WÄHREND DES
GANZEN L EBENS MUSS MAN LERNEN ZU STERBEN.
Seneca
1
Sidonia erwachte im Palazzo des Grafen. Sie musste sich einen Moment besinnen, ehe sie wusste, wo sie war. Mit der Erinnerung kam der dumpfe Schmerz zurück. Noch einmal sah sie Gabriel vor sich, wie er fortgegangen war. Mit aufrechtem Haupt und sehr geradem Rücken. Weder er noch Fadrique hatten sich umgewandt, ehe sie in den Treppenturm der Kirche verschwunden waren.
Adrian von Löwenstein hatte sie in sein Haus bringen lassen, wo sie diesmal mit vielen Verneigungen als neue Condesa empfangen wurde. Adrian von Löwenstein schien die Lüge über ihre Vermählung vor seinem Gesinde nicht aufgeklärt zu haben. Man hatte ein noch prachtvolleres Zimmer für sie gerichtet, Kleider, Strümpfe und feinste Wäsche besorgt.
Der Ritter hatte sich nicht lange bei ihr aufgehalten und nicht nach ihrer Geschichte gefragt. Er schien sie zu kennen. Genau wie sie die seine kannte, nachdem sie endlich die Briefe Doña Rosalias gelesen hatte.
Adrian von Löwenstein hatte wie Gabriel das Schiffsunglück vor der Südküste des Landes überlebt. Seine Genesung in einem kleinen Fischerdorf hatte jedoch Monate gebraucht. Als er dort von Mariflores’ Schicksal erfuhr war er ohne Zögern und ohne sein Haus in Santiago zu benachrichtigen, seinem Bruder nach Köln nachgereist. Entschlossen, ihn zurück nach Spanien und vor ein Gericht des Kaisers zu bringen.
»Sidonia« , hatte Rosalia voll Freude geschrieben, »deine Ahnungen waren immer richtig, deine Entschlossenheit ein Segen: Mein Sohn lebt! Er traf kurz nach Aleanders Abreise in Köln ein. Sein Name und seine Position bei Hof werden die van Bercks retten. Er versprach es mir. Adrian sprach auch davon, dass er in der Neuen Welt ein Vermögen gemacht hat, dessen Verbleib noch unklar ist. Darum ist er nach Spanien zurückgereist. Darum und um Lunetta und Aleander aufzuspüren.
Ich bete zu Gott, dass du in Santiago und in Adrians Palast bist. Warte dort auf ihn, dort bist du sicher. Er hat zugesagt, alle Taten seines Bruders vor Gericht zu bringen und jeden Schaden wiedergutzumachen. Sidonia, diesmal gab ich meine Zustimmung zu einer Ehe zwischen dir und Adrian aus ganzem Herzen. Dein Ehemann wird handeln wie ein Ehrenmann, und ich bin mir sicher, dass er lernen wird, dich so zu lieben, wie ich es tue.
Ich sehne den Tag herbei, an dem ihr als Mann und Frau nach Köln zurückkehren werdet und ich dich als meine Tochter begrüßen darf.
Auch Lambert ist dann endgültig gerettet, und – stelle dir nur vor – dein Vater plant bereits ein Hochzeitsfest. Nichts könnte ihn glücklicher machen, zumal er wohl das neue Vermögen seines Schwiegersohnes mit verplanen darf
Gottes Güte ist unermesslich«
Sidonia hatte den Brief zweimal gelesen. Am liebsten hätte sie ihn verbrannt. Er war ein Todesurteil. Nun erst begriff sie das Liebesversprechen, das Zimenes ihr auf dem Dach gegeben hatte:
»Ich werde nie eine
Weitere Kostenlose Bücher