Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
neun bis zehn Plätze schaffen. Mehr nicht, wir sind ausgebucht. Es sind lange keine Schiffe mehr gen Spanien gesegelt.«
»Siebzig Dukaten pro Nase, und das für Nächte unter freiem Himmel! Ich bitte Euch!«
Der Anwerber griff nach seinem Hut und setzte ihn auf. »Die Zelte auf dem Achterkastell sind vergeben und doppelt so teuer. Ihr seid Pilger. Heißt es nicht, dass der Herr den Himmel mit der Milchstraße ausstirnte, um den Weg zum Grab des Apostels zu weisen? Habt Vertrauen in die Sterne, ansonsten: Gott zum Gruße!«
Der Mann wollte sich verabschieden, doch der Brauer hielt ihn hastig zurück.
»Können wir zusätzliche Bedingungen ausmachen? Etwa, wie im Todesfall eine Bestattung aussieht? Keiner von uns möchte über Bord geworfen werden, und wir wollen regelmäßig die Messe feiern.«
Der Anwerber hob die Brauen: »Die Messe feiern? Ihr wisst, dass es verboten ist, das Blut Jesu Christi nach der Wandlung zu verschütten. Jede Bugwelle würde zur Messsünde führen!«
Jetzt war es an Sebald, seine technische Überlegenheit zu beweisen. Aus seinem Pilgersack zog er einen Messkelch hervor, dessen oberer Teil auf einem Kardangelenk ruhte. »Mit diesem mechanischen Wunderwerk wird jedes Schwanken des Schiffes ausgeglichen.«
»Wer seekrank ist, könnte die Hostie und damit den Leib Christi ins Meer speien!«
»Ich verspreche, dass niemand, der unter Übelkeit leidet, teilnehmen wird. Also, habt Ihr einen Priester an Bord?«
Der Werber schien nun überzeugt. »Ja, unter den Passagieren ist ein vornehmer Mönch. Ein Spanier.«
Ein stöhnender Laut lenkte seinen Blick auf Lunetta, die sich an ihren Pilgersack klammerte. »Wer ist das?«
»Ein stummes Mädchen, das in Santiago auf Heilung hofft. Nun, wie viele Plätze habt Ihr?«
»Ich sagte bereits, es sind neun, höchstens elf, wenn ihr eng zusammenrückt. Ihr werdet euch von einem Reisegefährten trennen müssen. Ich rate euch, das Mädchen zurückzulassen, sie wird bestimmt einen barmherzigen Schiffspatron finden, der sie kostenlos mitnimmt.« Er pausierte kurz. »Etwa meinen Kollegen von der Karacke. Seinem Seelenheil täte ein wenig Barmherzigkeit gut und seinem Schiff erst recht.«
»Ich werde mich der kleinen Pilgerin annehmen«, mischte sich die sanfte Stimme eines Mönches in das Gespräch, »so wie es Christenpflicht ist.«
Der Galeonenwerber wandte sich um: »Ah, Senor Aleander! Darf ich vorstellen, dies ist der Priester, der euch gewiss mit Freuden dann und wann die Messe lesen wird. Er ist ein hochrangiger Vertreter des Heiligen Officiums von Santiago und hat das beste Deckszelt gemietet.«
Ein Tumult, der von der Bank her kam, unterbrach ihn. Lunetta kämpfte mit Sebald, dem Braumeister, der sie zu beruhigen suchte.
»Seid ihr sicher, dass sie nur stumm und nicht irre ist?«, wollte der Passagierwerber von den Pilgern wissen.
»Sie ist ein Kind Gottes«, sagte Aleander salbungsvoll, »nur das allein zählt. Sollte ein Exorzismus notwendig sein, ist sie bei mir in besten Händen. Komm, Mädchen, ich habe mit dir zu reden.« Die Pilger machten ihm bereitwillig Platz. Einigen unter ihnen war die Nähe des Kindes von Anfang an unbehaglich gewesen, da ein Judenarzt Lunetta an sie vermittelt hatte. Teufelsbrut auf dem Weg zum wahren Jakob – da sei Gott vor. Nur Sebald, dem Meister Siebenschön erfolgreich einen kieselgroßen Blasenstein gezogen hatte, protestierte schwach: »Aber wir haben versprochen, das Mädchen nicht im Stich zu lassen! Ich gab mein Wort als Christenmensch.«
Der Dominikaner sah ihn hochmütig an: »Wovon redet Ihr? Nirgends könnte ein Kind sicherer sein als im Schoß unserer Heiligen Mutter Kirche.« Er packte Lunetta mit eisernem Griff und zog sie aus der Schenke fort.
3
Sidonia schlug die Hand fort. Im Licht eines Strahlenfingers, den der Vollmond durch die Holzwand schob, erkannte sie den üppigen Leib einer ... Frau!
»Wer bist du?« Sie ballte ihre Hand, bereit, die dralle Magd grün und blau zu schlagen.
»Die Frage ist wohl eher, wer du bist! Jedenfalls kein geiler Jüngling, wie der Wirt mir versprach! Eine Frau in Männerkleidern, das ist Teufelswerk. Schlimmer als jede ehrliche Hure! Ich möchte gar nicht wissen, warum du dich so gegen die Natur und Gott versündigst. Mit einem Leib wie deinem. Haut wie Sahne. Ich kenne Männer, die ein Vermögen dafür gäben, um die einmal zu berühren.« Sie tastete nach Sidonias Brüsten.
Sidonia riss die Decke an sich. Eine Welle von Scham überflutete sie.
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