Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
lehnte sich in seinem Stuhl zurück, seine Miene wurde noch kälter. »Soweit ich weiß, werden die Kölner Gesandten erst in zwei oder drei Wochen hier erwartet.«
»Nun, eh, ich bin sozusagen die Vorhut.«
»Die Vorhut, so so. Gleichwohl, alle Eure Kosten sind bereits abgedeckt. Euer Vater hat hierfür genug gezahlt.« Mit dem Finger tippte er auf den Geleitbrief.
Sidonia merkte, dass sich Schweißperlen in ihrem Nacken sammelten. Sie versuchte es mit einem Lächeln.
»Ja, sicher, aber ein junger Mann hat gewisse Ausgaben, und mein Vater möchte, dass ich standesgemäß gekleidet bin.«
Sie versuchte es mit dem flehenden Blick, der ihr als schöne Sidonia so oft geholfen hatte. Grün funkelten ihre Katzenaugen.
Der Faktor ließ sich Zeit für eine Antwort. Er schien sie unter den Staubkörnern zu suchen, die in der Luft tanzten. Endlich beugte er sich vor.
»Ich habe kein Geld.«
Empört schaute Sidonia auf die Geldkästen auf dem Tisch. »Aber ...« Leise setzte sie hinzu: »Bitte, ich brauche es dringend!«
Der Faktor ließ seinen Blick durch den Raum gleiten und winkte sie zu sich heran.
»Wenn ich dir einen Rat geben darf, dann mach, dass du fort kommst. Egal wie, nur nicht auf einem Schiff nach Spanien. Meide die christliche Seefahrt! Und meide vor allem die Negrona. Das sage ich als alter Freund deines Vaters, mein Junge .«
Er griff nach dem Geleitbrief und zerknüllte ihn mit mächtiger Hand.
»Was soll das heißen?«
Der Faktor lehnte sich wieder in seinem Stuhl zurück. Er griff nach einer Feder, tauchte sie in Tinte und begann zu schreiben. Sidonia schien seinem Gedächtnis entfallen zu sein. Verwirrt schaute Sidonia sich im Kontor um, keiner schien ihre Anwesenheit noch zu bemerken. Deutlicher konnte ein Rauswurf nicht sein.
Sie drehte sich um und lief zum Ausgang und in die Gasse. Sie rannte zurück zum Kai, immer am Rand des Piers entlang, auf den Gasthof zu. Irgendetwas oder irgendjemand musste sie verraten haben! Nur wer? Aleander, schoss es ihr durch den Kopf. Der Mönch musste bereits in Antwerpen sein. Der langsame Kaufmannszug, mit dem sie geritten war, war eine schlechte Wahl gewesen. Mit guten Schiffen ließ sich die Scheidestadt von Köln aus in einer Woche erreichen. Hatte Aleander bereits im Kontor des Vaters vorgesprochen? So musste es sein.
Atemlos erreichte sie den Gasthof, stürzte die Treppen zum Dach hinauf und begann fieberhaft zu packen. Dann besann sie sich. Der Brief! Vielleicht konnte der Brief ihr Aufklärung verschaffen. Zitternd nestelte sie das Schreiben aus ihrem Hemd, setzte sich auf einen Schemel und wollte ihn lesen. Ein hartes Pochen an der Brettertür ließ sie innehalten.
4
Der Wirt drängte seine massige Gestalt in die Kammer. Seine Stimme war munter.
»Guten Morgen, Ihr wart bereits früh auf den Beinen, weshalb ich erst jetzt mit Euch sprechen kann.«
»Ich habe es eilig. Und bereits gezahlt!«
»Genau darüber wollte ich mit Euch sprechen. Meine Magd kam gestern Nacht zu mir. Völlig aufgelöst, das arme Ding! Sie erzählte mir eine unglaubliche Geschichte!«
Sidonia wollte sich vom Hocker erheben, doch der Wirt drückte sie wieder hinab.
»Als Gastwirt habe ich Pflichten. Ich muss gewisse Vorkommnisse melden. Das Hafenamt hat strenge Vorschriften, was die Beherbergung von Fremden angeht.«
Sidonia schaute widerwillig zu ihm hoch.
»So? Und wie lauten die Bestimmungen über liederliche Mägde? In Köln ist Hurerei in Schenken verboten, und Hurenwirte prügelt man mit Ruten zur Stadt hinaus.«
Der Wirt schlug nach einer Fliege und traf. »Ich habe die besten Verbindungen zu den Beamten. Sie essen, trinken und schlafen gelegentlich bei mir. Und bei der Magd. Auch Informationen nehmen sie dankend von mir entgegen.«
»Gegen Geld, nehme ich an.«
»Gegen viel Geld. Schließlich will man den Hafen von zwielichtigem Pack frei halten.«
Sidonia straffte die Schultern, sie wollte nur noch heraus aus diesem Verschlag und diesem Gespräch.
»Wie viel?«
Der Wirt leckte sich die Lippen. »Fünfzig Goldgulden ist ein verkehrter Adam sicher wert.«
Sidonia fuhr hoch und stieß den Wirt mit aller Kraft beiseite. »Das ist ein Vermögen!«
»Über das du verfügst, Mädchen! «
Wenig später wandelte Sidonia wie eine Marionette wieder am Hafen entlang. Wer zog die Fäden in ihrem Leben? Und was sollte sie nun tun? Auf dreißig Goldgulden hatte sie ihren Erpresser herabhandeln können, weil sie ihm ihr Pferd überlassen hatte. Den Rappen brauchte
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