Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
lehnte ab, konnte aber nicht verhindern, dass der Hausknecht auf dem Weg durch die Gassen der Käsehändler, Perückenmacher und Fleischhauer unablässig schwatzte. Überall wies er auf Köstlichkeiten und Kaufgelegenheiten hin, weil er an jedem Geschäft ein paar flandrische Groschen verdiente. Sidonia argwöhnte, dass er einen Umweg nahm.
Endlich gelangten sie zum Jordanskai. Auf dem großen Kanal lag Schiff an Schiff; ein Mastenwald, der immer wieder auseinanderschwamm und immer wieder nachwuchs. Begleitet von Möwengeschrei gelangten sie durch einen Torbogen in den Gasthof. Der Knecht gab dem Wirt Bescheid und führte das Pferd zum Stall.
Sidonia betrat die Schankstube. Seeleute, Pilger und wartende Schiffspassagiere hockten im Dämmerlicht über Bierhumpen. Der Wirt stand mit schmieriger Schürze hinter einem Holzbrett, das die Theke bildete.
»Willkommen, willkommen. Sehr vernünftig, dass man einen Quartiermacher vorgeschickt hat! Heute erwarten wir viele Gäste, denn in den nächsten Tagen werden zwei Großschiffe nach Spanien, vier nach England und eines nach Schottland in See stechen. So viel Verkehr hatten wir seit Monaten nicht. Der Wind stand schlecht, vor allem für die Route nach Spanien. Die Schiffe werden voll werden. Besser, man sichert sich direkt einen Platz. Habt Ihr vor, zu reisen? Soll ich Euch eine Passage buchen?«
Sidonia überging die Fragen und handelte Preise für die Unterkunft von zwölf Kaufleuten, ihren Faktoren und Fuhrknechten aus. Sie stellte fest, dass ihr das Feilschen große Freude machte. Das Vorbild ihres Vaters war ihr nützlich. Schließlich stellte sie noch die Frage nach einer Einzelkammer und traf nun auf einen unnachgiebigen Wirt.
»Eine Kammer ganz für Euch allein? Was habt Ihr vor?« Sidonia übersah sein Zwinkern.
»Nichts, außer ein Bad zu nehmen, falls Ihr einen Zuber habt.«
»Einen Zuber? Wer soll den ins Zimmer tragen und füllen? Ich betreibe hier kein Badehaus!«
»Euer Knecht ist kräftig.«
Der Wirt lehnte sich vertraulich über sein Holzbrett und setzte flüsternd hinzu: »Und meine Magd drall und hübsch! Ein Liebling der Seeleute, wenn Ihr versteht, was ich meine.«
»Keine Magd!«
Der Wirt runzelte die Brauen. »Nun, das ist unüblich. Unterm Dach habe ich zwar verschwiegene Zimmer, doch gewöhnlich teilen sich zwei Gäste dort das Stroh.«
»Und wie viel zahlen Euch zwei Gäste?«
Der Wirt schob seine wulstigen Lippen vor wie ein Barsch. »Ein Silberstück muss ich mit dem Bad schon verlangen.«
»Ein halbes!«
»Und ein Viertel dazu, aber nennt niemandem diesen Preis, sonst ruiniere ich mich!«
Sidonia war des Handelns müde und nickte. Der Wirt streckte seine Pranke vor. »Ihr müsst für solchen Luxus im Voraus zahlen!« Sidonia griff in den Lederbeutel unter ihrem Wams und zählte die Münzen auf das Holzbrett. Als sie sah, wie gierig die Blicke des Wirtes auf ihrer Börse ruhten, ließ sie sie schnell verschwinden.
Während der Knecht ihr ein Bad bereitete, aß Sidonia in der Schankstube einen Teller Grütze mit salzigem Speck und Räucherfisch. Die Gespräche der anderen Gäste drehten sich um die Schiffe. Vor allem die endlich wieder fahrbare Spanienroute wurde diskutiert. Die Preise für die letzten Plätze an Bord waren enorm. Sidonia nahm sich vor, gleich morgen im Antwerpener Kontor des Vaters um weiteres Geld zu bitten. Sie musste das Land verlassen, bevor Aleander sie aufspüren konnte. Vielleicht hatte sie Glück und würde ihm entwischen, während er in Antwerpen wochenlang auf ein weiteres Schiff warten müsste.
Der Knecht ging auf den Markt, um den Kaufmannszug abzufangen, den Sidonia ihm beschrieben hatte. Er brachte ihre Reisegefährten glücklich mit. Sie luden Sidonia auf Bier und Käse ein und lobten ihr Verhandlungsgeschick bei den Preisen.
Es wurde sieben Uhr, bis Sidonia ihre Kammer beziehen konnte. Der Wirt hatte seinen Dachboden rings um den Rauchfang mit Holzwänden in eine zugige Zimmerflucht unterteilt. Tauben gurrten unter dem Dach.
Sidonia ließ Degen und Satteltaschen fallen und untersuchte das zum Bett aufgeschüttete Stroh auf Wanzen. Sie stellte erleichtert fest, dass alles sauber war. In einem Holzzuber, der nicht mehr als ein Hockbad erlaubte, dampfte Wasser.
Rasch entkleidete sich Sidonia, löste die Bandagen, mit denen sie ihre Brüste flach hielt, und stieg in den Zuber. Selten hatte sie mit so viel Wonne ihren Körper gereinigt, ihre Muskeln entspannten sich in der Wärme. Ein Luxus, den
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