Die Tatarin
euch Offizierspüppchen nicht, um unsere Pflicht zu tun. Suche dir lieber einen Schweden, und lege dich mit dem an und nicht mit Pantelej Afrimowitsch, so heiße ich nämlich! Im Allgemeinen bin ich ja ein guter Kerl, aber ich kann auch grob werden, wenn es sein muss.«
Dabei hob er den Stock, mit dem er sonst die säumigen Arbeiter antrieb, und drohte Schirin damit. Deren Hand wanderte zum Säbelgriff, doch bevor die Situation außer Kontrolle geraten konnte, mischte sich einer von Afrimowitschs Kameraden ein. Er hatte den neuen Fähnrich schon eine Weile beobachtet und zupfte nun seinen Freund am Ärmel.
»Sieh dich lieber vor, Brüderchen! Das dort ist der Tatarenprinz, der dem Zaren das Leben gerettet hat. Wenn der unserem Väterchen Apraxin ein Wort sagt, steckt er dich auch in eines der Löcher und lässt dich Steine schleppen, bis du tot zusammenbrichst.«
Es war beinahe lächerlich zu sehen, wie sich Pantelej Afrimowitschs Miene von einer Sekunde zur anderen wandelte. Er ließ seinen Stock fallen und verbeugte sich tief vor dem hochmütig auf ihn herabblickendenFähnrich. »Verzeiht, wenn ich Euren Zorn erregt habe, Euer Gnaden! Ich werde selbstverständlich dafür sorgen, dass die armen Kerle, die krank geworden sind, Medizin und Essen erhalten und werde auch sehen, was sich machen lässt, damit sie wärmere Quartiere erhalten.«
»Das solltest aber nicht nur du tun, sondern auch die anderen Vorarbeiter. Der Zar braucht jeden Mann in Russland, um diese Stadt zu bauen, oder als Soldat gegen die Schweden. Wenn ihr die armen Hunde verrecken lasst, sind sie zu beidem nicht mehr nütze.« Schirins Stimme klang scharf, doch Afrimowitsch stimmte ihr eilfertig zu.
»Da habt Ihr schon Recht, Euer Gnaden. Nur ein lebendiger und gesunder Mann kann arbeiten, ein Toter vermag es nicht. Der macht sogar noch Arbeit, weil man ihn verscharren muss.«
»Dann sorge dafür, dass dir diese Arbeit erspart bleibt!« Schirin streifte den Vorarbeiter mit einem letzten mahnenden Blick und schritt zur nächsten Gruppe weiter.
VII.
Für Sergej war das Erwachen eine Qual. Irgendjemand schien seinen Kopf als Amboss zu missbrauchen, um darauf glühendes Eisen zu schmieden. Anstelle einer Zunge steckte ein stinkender Lappen in seinem Mund, und sein Magen schien sich in eine schmerzhaft pulsierende Qualle verwandelt zu haben. Mit ungeheurer Mühe öffnete er seine verklebten Augenlider und blickte in Wanjas besorgtes Gesicht.
»Also, mein liebes Väterchen, da habt Ihr Euch gestern Abend nichts Gutes getan. Dagegen war ja Bahadurs Rausch noch harmlos. Wenn wir Euch nicht gesucht und nach Hause gebracht hätten, wärt Ihr mit Sicherheit erfroren.«
Sergej schloss bei dieser anklagenden Litanei die Augen und stöhnte. »Was ist passiert? Ich weiß gar nichts mehr.«
»Ihr müsst im Haus der französischen Madame gewesen sein und mit deren Mädchen geschäkert haben. Viel zu teuer für Euch, wenn ich das bemerken darf. Ihr habt keine einzige Kopeke mehr in Eurer Tasche.«
Sergej hielt sich den Kopf, während seine Erinnerung allmählich zurückkehrte, wenn auch mit Lücken, die zu schließen er nicht in der Lage war. Irgendwie hatte er das Gefühl, eine üppig gebaute Frau in seinen Armen gehalten zu haben, nackt, wie Gott sie geschaffen hatte, und zu allem bereit. Aber er vermochte nicht zu sagen, ob er sich bei ihr als Mann hatte erweisen können oder nicht. Außerdem erinnerte er sich an sehr viel Wodka, Wein und Cognac, deren Nachwirkungen er nun grauenhaft zu spüren bekam.
»Du sagst, Bahadur und du, ihr hättet mich gesucht?«
»Ja, so war es, Sergej Wassiljewitsch! Unser Söhnchen war voller Sorge um dich und hat mich aufgefordert, mit ihm in die Nacht hinauszugehen. Da er ja ungefähr wusste, wo Ihr gewesen wart, habenwir Euch glücklicherweise gefunden. Ihr hattet Euren Pelz zurückgelassen und wart bereits blau gefroren. Wir haben Euch die halbe Nacht mit Schnee einreiben müssen, damit Ihr Eure Fingerchen und Zehen behalten konntet.«
Wanja übertrieb genüsslich, und Sergejs Gesicht färbte sich rot vor Scham. »Es tut mir Leid, mein Guter. Mein Gott, was muss Bahadur von mir denken! Ich hatte ihn in Madame Reveilles Haus vermisst und wollte ihn suchen.«
»Ihr habt ihn ja auch gefunden, oder besser er Euch.« Wanja zwinkerte lächelnd und bot Sergej einen Becher von seinem Spezialmittel an. »Gib her! Schlimmer, als es bereits ist, kann es nicht mehr werden.« Sergej würgte das stechend schmeckende Gebräu, das
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