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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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aufzustoßen, aber auch dann fiel so wenig Licht in den Raum, dass Schirin sich nackt hätte zeigen können, ohne als Mädchen erkannt zu werden.
    Während die Geiseln sich in ihren Kammern je nach Temperament langweilten oder ängstigten, machte Sergej sich auf den Weg in die Festung. Eigentlich hätte er sich sofort nach seiner Ankunft dort melden müssen, doch war es zu verlockend gewesen, in einem Gasthof zu übernachten und dort andere Speisen aufgetischt zu bekommen als das, was die Regimentsköche den Soldaten des Zaren zumuteten.
    Dimitri Jakowlew, der Kommandant der Festung, war ein magerer Mann mittleren Alters mit schlecht rasiertem Gesicht und einer Fahne, die Sergej, der noch unter den Nachwirkungen des Wodkas vom Vortag litt, den Magen umdrehte. Er empfing den jungen Hauptmann so freundlich, als wäre er ein alter Bekannter, und machte ihm wegen seines Fernbleibens keinerlei Vorwürfe. Vielmehr lobte er die Küche der Herberge und fragte scheinbar beiläufig, mit wie vielen Leuten der Hauptmann dort abgestiegen sei. Sergej nannte ihm die Zahl und erwähnte auch Jurij Gawrilitsch, dessen Tochter und den Kutscher. Jakowlew schrieb die Zahl seiner Begleiter und deren Namen auf und machte dabei unbewusst die Geste des Geldzählens. Im ersten Moment wunderte Sergej sich, dann aber begriff er, dass der Kommandant vorhatte, die Übernachtung und Bewirtung von Sergejs Gruppe der Regimentskasse in Rechnung zu stellen und das Geld in seiner eigenen Tasche verschwinden zu lassen. Diese Haltung war allgemein verbreitet, und doch ärgerte Sergej sich darüber, denn in dieser Zeit benötigten Russland und der Zar jeden einzelnen Rubel, um gegen die Schweden bestehen zu können.
    Als er den letzten Namen notiert hatte, richtete Jakowlew sich mit einem zufriedenen Lächeln auf. »Du hast unter dem guten VäterchenPawel Nikolajewitsch Gjorowzew in Sibirien gedient und reitest jetzt in seinem Auftrag nach Moskau, Sergej Wassiljewitsch?« Sergej nickte. »So wurde es mir in Karasuk befohlen, doch wenn inzwischen andere Befehle eingetroffen sind …« Er ließ den Rest ungesagt, hoffte aber, er würde zu hören bekommen, dass er sich auf schnellstem Weg seinem Regiment anschließen solle. Die Antwort des Kommandanten ließ diese Hoffnung jedoch platzen.
    »Ich habe keine neuen Befehle für dich, Sergej Wassiljewitsch. Befolge also die Order, die du in Sibirien erhalten hast. Allerdings könntest du mir, wenn du in Moskau bist, einen Gefallen tun.« Jakowlew beugte sich etwas vor und zwinkerte Sergej verschwörerisch zu. Seine Haltung stieß den jungen Hauptmann ab, doch die Bitte eines hochrangigen Offiziers kam im Grunde einem Befehl gleich und durfte nur dann abgelehnt werden, wenn sie die Ehre oder das Reglement verletzte.
    »Wenn es in meiner Macht steht, werde ich es gerne tun«, antwortete er. Jakowlew nickte zufrieden. »Du sollst nur einen Brief, der nicht jedermann etwas angeht, einem guten Freund von mir überreichen.« Der Kommandant stand auf und legte Sergej die Hand auf die Schulter. »Trinken wir ein Gläschen Wodka auf unser Mütterchen Russland, mein Guter, und auf unsere Freundschaft.«
    Auf die ich gut verzichten kann, fuhr es Sergej durch den Kopf.
    Der Kommandant wartete Sergejs Zustimmung nicht ab, sondern trat an ein kleines, bunt bemaltes Holzschränkchen und holte ein Glas für Sergej heraus. Sein eigenes, nicht mehr ganz sauberes Trinkgefäß stand bereits auf dem Tisch, und er füllte beide aus einer großen Tonflasche, deren Fassungsvermögen ausgereicht hätte, eine halbe Kompanie betrunken zu machen. Jakowlew sah nicht so aus, als wolle er seinen Gast so bald wieder gehen lassen.
    »Auf unser Mütterchen Russland, Sergej Wassiljewitsch«, brachte Jakowlew den ersten Trinkspruch aus.
    »Auf Russland!« Sergej ergriff sein Glas und goss den Wodka mit Todesverachtung hinunter. Sein Magen rebellierte, als die scharfeFlüssigkeit die Speiseröhre hinunterlief, und er stieß geräuschvoll auf. Jakowlew schien das als Kompliment aufzufassen, denn er füllte die Gläser aufs Neue. Sergej erwartete nun einen Trinkspruch auf den Zaren, doch zu seiner Verwunderung behielt der Kommandant das Glas etliche Sekunden in der Hand, als müsse er überlegen, was er sagen sollte.
    »Auf den Zarewitsch und darauf, dass er Russland klüger und besser regieren möge als sein Vater!«
    Diese Worte grenzten an Hochverrat. Sergej ließ sich jedoch nichts anmerken, sondern erwiderte das Lächeln seines Gastgebers. »Auf

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