Die tausend Herbste des Jacob de Zoet
ich Fischer.» Der lederhäutige Koch legt sich die Hand aufs Herz. «Für mich immerhin heißt’s, Ende gut, alles gut. Herr V. hat mir erlaubt, dass ich für zehn Prozent Provision meine ganze Ware verschiffe: Snitker, der gierige Raffzahn, hat letztes Jahr für ne schimmlige Ecke auf der Octavia fünfzig verlangt - und angesichts ihres Schicksals war’s ein Segen, dass wir uns damals nicht geeinigt haben! Die treue Shenandoah ...», Grote deutet mit dem Kopf auf die Seepforte, «... segelt mit der Ernte von drei Jahren ordentlicher Plackerei. Faktor V. gibt mir sogar ein Fünftel von vier Gros Arita-Figuren, anstelle meiner Maklergebühren.»
Ein Fäkaliensammler geht vorbei: Aus den Eimern, die an seiner Tragestange baumeln, steigen stinkende Dünste.
«Ich wüsste zu gerne», denkt Grote laut, «wie genau die Abgreifer den kontrollieren.»
«Vier Gros Figuren», Jacob registriert die Zahl, «und nicht zwei?»
«Achtundvierzig Dutzend. Die bringen bei der Auktion ein hübsches Sümmchen ein. Wieso fragen Sie?»
«Nur so.» Vorstenbosch, denkt Jacob, hat von Anfang an gelogen. «Wenn ich nichts weiter für Sie tun kann ...»
«Eigentlich ...», Grote zieht etwas aus der Jacke, «... kann ich ...»
Jacob erkennt seinen Tabaksbeutel, den Orito William Pitt gegeben hat.
«... etwas für Sie tun. Ich glaube, das hübsch gemachte Ding gehört Ihnen.»
«Wollen Sie mir etwa meinen eigenen Tabaksbeutel verkaufen?»
«Ich geh ihn nur an seinen rechtmäßigen Besitzer zurück, Herr de Z., ganz und gar kostenlos ...»
Jacob wartet, dass Grote mit dem wahren Preis herausrückt.
«... obwohl es vielleicht der rechte Augenblick ist, Sie dran zu erinnern, dass ein kluger Mann unsere letzten beiden Kisten Syphilispulver so schnell wie möglich an Enomoto verkaufen würde. Bald kommen die Dschunken der Chinesen, voll beladen mit jeder Unze Quecksilber, die sie in ihrem Handelsreich aufgetrieben haben, und entre nous , die Herren Lacy und V-bosch werden im nächsten Jahr eine ganze deutsche Tonne davon schicken, und wenn der Markt erst überschwemmt ist, weichen die Preise auf.»
«Ich verkaufe nicht an Enomoto. Suchen Sie einen anderen Käufer. Egal wen.»
«Schreiber de Zoet!» Peter Fischer tritt aus der Knochengasse auf die Lange Straße. Er glüht vor Rachlust. «Schreiber de Zoet. Was ist das?»
«Auf Niederländisch nennen wir es ‹Daumen›.» Jacob kann sich nicht zu einem ‹Herr Fischer› durchringen.»
«Ich weiß, dass das ein Daumen ist. Aber was ist das an meinem Daumen?»
«Ich würde sagen ...», Jacob merkt, dass Arie Grote verschwunden ist, «... ganz gewöhnlicher Schmutz.»
«Die Kontoristen und Arbeiter ...», Fischer schließt zu ihm auf, «... nennen mich Stellvertreter Fischen oder ‹Herr Stellvertreter›. Haben Sie verstanden?»
Wenn er Faktor wird , denkt Jacob, werden zwei Jahre sein wie fünf.
«Ich verstehe Sie sehr gut, Stellvertreter Fischer.»
Fischer setzt ein triumphales Siegerlächeln auf. «Schmutz! Jawohl, Schmutz. Er liegt auf den Regalen im Kontor. Deshalb weise ich Sie an, die Regale zu putzen.»
«Gewöhnlich ...»Jacob schluckt, «... übernimmt das einer der Diener.»
«Ganz recht, aber da Ihnen Sklaven, Diener und Ungleichheit gegen den Strich gehen ...», Fischer drückt Jacob den schmutzigen Daumen ans Brustbein, «... weise ich Sie an, die Regale zu putzen. Und zwar jetzt gleich.»
Ein Mutterschaf, das aus seiner Koppel ausgebrochen ist, trottet die Lange Straße hinunter.
Er will, dass ich ihn schlage, denkt Jacob. «Ich putze sie später.»
«Sie haben den Stellvertreter stets mit Stellvertreter Fischer anzusprechen.»
So geht das jetzt jahrelang, denkt Jacob. «Ich putze sie später, Stellvertreter Fischer.»
Protagonist und Gegenspieler starren einander an; das Schaf stellt sich hin und pisst.
«Ich befehle Ihnen, die Regale jetzt zu putzen, Schreiber de Zoet. Wenn Sie nicht ...»
Jacob stockt vor Zorn der Atem, und er weiß, dass er sich nicht mehr lange wird beherrschen können: Er geht einfach weiter.
«Faktor van Cleef und ich», ruft Fischer ihm nach, «werden uns über Ihr unverschämtes Benehmen unterhalten!»
«Es ist ein weiter Weg», Ivo Oost steht rauchend in einem Hauseingang, «bis ganz nach unten ...»
«Ihr Gehalt», brüllt Fischer ihm hinterher, «wird durch meine Unterschrift bewilligt!»
Jacob steigt den Wachtturm hinauf und betet innerlich, dass niemand auf der Plattform ist.
Zorn und Selbstmitleid stecken ihm im
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