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Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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verurteilt ...»
    Der Trommler schlägt die Trommel ein drittes Mal ...
    «... und führte ein faszinierendes Experiment durch: Er verabredete mit einem Henkersknecht, dass er blinzeln würde, wenn die Schneide falle ...»
    Der Trommler schlägt die Trommel ein viertes Mal.
    «... und so lange weiterblinzeln würde, wie es ihm möglich sei. Der Henkersknecht zählte die Lidschläge und konnte so ermitteln, wie lange oder, besser gesagt, wie kurz ein abgetrennter Kopf weiterlebt.»
    Cupido spricht einige Worte auf Malaiisch, vielleicht, um den bösen Blick zu bannen.
    Gerritszoon dreht sich zu ihm um und sagt: «Hör auf mit dem Schwarzengebrabbel, Junge.»
    Der designierte Stellvertreter de Zoet bringt es nicht über sich, ein zweites Mal zuzusehen.
    Er begutachtet seine Schuhe und entdeckt einen Blutspritzer auf der Spitze.
    Der Wind streicht über den Fahnenplatz, sanft wie der Saum eines Gewandes.

    «Und damit», sagt Vorstenbosch, «kommen wir zum Ende ...»
    Die Almelo-Uhr im Kontor des scheidenden Faktors zeigt elf Uhr.
    Vorstenbosch schiebt den letzten Stapel Papiere beiseite, holt die Ernennungsurkunden hervor, taucht die Feder ein und unterzeichnet das erste Dokument. «Möge das Schicksal Sie mit einem Lächeln durch Ihre Amtszeit begleiten, Faktor Melchior van Cleef von der Handelsstation Dejima ...»
    Der Bart in van Cleefs Gesicht zuckt, als er lächelt. «Vielen Dank.»
    «... und zu guter Letzt», Vorstenbosch unterschreibt das zweite Dokument, «stellvertretender Faktor Jacob de Zoet.» Er legt die Feder aus der Hand. «Wenn ich mir vorstelle, de Zoet, dass Sie im April noch ein kleiner Angestellter waren, schon fast auf dem Weg in die Sumpfhölle von Halmahera.»
    «Ein offenes Grab», stößt van Cleef hervor. «Entkommt man den Krokodilen, tötet einen das Sumpffieber. Entkommt man dem Sumpffieber, wird man von einem Giftpfeil erledigt. Sie verdanken Herrn Vorstenbosch nicht nur eine glänzende Zukunft, Sie verdanken ihm Ihr Leben.»
    Und du, du elender Betrüger , denkt Jacob, verdankst ihm, dass du nicht dasselbe Schicksal nimmst wie Snitker.
    «Meine Dankbarkeit gegenüber Herrn Vorstenbosch ist tief und aufrichtig.»
    «Wir haben noch Zeit für einen kurzen Abschiedstrunk. Philander!»
    Philander betritt mit einem Silbertablett das Zimmer. Darauf stehen drei langstielige Weingläser.
    Jeder der drei Männer nimmt ein Glas: Sie stoßen an.
    Als Vorstenbosch sein Glas geleert hat, überreicht er Melchior van Cleef die Schlüssel für die Speicher Eik und Doorn und für den Safe mit der Handelserlaubnis, die vor hundertfünfzig Jahren vom großen Shōgun ausgestellt wurde. «Möge Dejima unter Ihrer Leitung blühen, Faktor van Cleef. Ich hinterlasse Ihnen einen fähigen, vielversprechenden Stellvertreter. Nächstes Jahr, so hoffe ich, werden Sie beide meine Erfolge übertreffen und zwanzigtausend Pikol aus unseren knauserigen schlitzäugigen Gastherren herausquetschen.»
    «Wir werden tun», verspricht van Cleef, «was in unserer Macht steht.»
    «Ich werde für Ihre sichere Überfahrt beten, Herr Vorstenbosch», sagt Jacob.
    «Danke! Und nun, da die Frage der Nachfolge geregelt ist ...», Vorstenbosch zieht ein Kuvert aus dem Mantel und faltet ein Dokument auseinander, «... müssen die drei obersten Beamten Dejimas die Auflistung aller ausgeführten Waren unterzeichnen, so wie Gouverneur van Overstraten es neuerdings verlangt.» Er setzt seinen Namen unter das dreiseitige Verzeichnis aller Handelsgüter im Laderaum der Shenandoah , unterschieden nach «Kupfer», «Kampfer» und «Sonstiges» und unterteilt in nummerierte Posten, Stückzahlen und Qualitätsbezeichnungen.
    Van Cleef unterzeichnet die von ihm zusammengestellte Liste, ohne einen Blick daraufzuwerfen.
    Jacob nimmt die ihm angebotene Feder und geht aus berufsmäßiger Gewohnheit aufmerksam die einzelnen Posten durch: Es ist das einzige Dokument an diesem Vormittag, das er nicht selbst angefertigt hat.
    «Stellvertreter», tadelt ihn van Cleef, «Sie wollen Herrn Vorstenbosch doch sicher nicht warten lassen!»
    «Die Kompanie verlangt von mir, dass ich in allen Belangen gründlich verfahre.»
    Sein Einwand, stellt Jacob fest, stößt auf frostiges Schweigen.
    «Die Sonne», sagt van Cleef, «zeigt sich heute als strahlende Siegerin, Herr Vorstenbosch.»
    «So ist es.» Vorstenbosch leert sein Glas. «Falls Kobayashi die Absicht hatte, mit den Hinrichtungen heute Morgen Unheil heraufzubeschwören, ist er wieder einmal

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