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Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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gescheitert.»
    Jacob entdeckt einen überraschenden Fehler. Kupferausfuhr gesamt: 2600 Pikol.
    Van Cleef räuspert sich. «Ist etwas nicht in Ordnung, Herr Stellvertreter?»
    «Hier ... bei der Gesamtmenge. Die Neun sieht aus wie eine Zwei.»
    Vorstenbosch sagt mit entschiedener Stimme: «Die Menge ist absolut korrekt, de Zoet.»
    «Aber wir führen neun tausendsechshundert Pikol aus.»
    Van Cleefs unbeschwerter Ton bekommt einen drohenden Beiklang. «Unterschreiben Sie einfach, de Zoet!»
    Jacob sieht van Cleef an, der ihn finster anstarrt. Er wendet sich an Vorstenbosch. «Jemand, der nicht weiß, dass Sie überall für Ihre Unbestechlichkeit bekannt sind, und diese Zahlen sieht ...», er bemüht sich um eine diplomatische Wortwahl, «könnte möglicherweise zu der Annahme gelangen, dass siebentausend Pikol Kupfer vorsätzlich unterschlagen wurden.»
    Vorstenboschs Miene ist die eines Vaters, der nicht länger gewillt ist, seinen Sohn beim Schach gewinnen zu lassen.
    «Haben Sie die Absicht», Jacobs Stimme zittert leicht, «das Kupfer zu stehlen?»
    «Snitker hat gestohlen, mein Junge: Ich beanspruche nur meinen rechtmäßigen Anteil.»
    «Aber die Worte ‹rechtmäßiger Anteil›», platzt es aus Jacob heraus, «stammen aus Snitkers Mund.»
    «Im Interesse Ihres Vorankommens: Setzen Sie mich nicht mit dieser Kanalratte gleich!»
    «Das habe nicht ich getan.» Jacob klopft auf das Ausfuhrdokument. «Diese Liste tut es.»
    «Die widerwärtigen Enthauptungen, denen wir heute Morgen beiwohnen mussten», sagt van Cleef, «haben Ihren Verstand getrübt, Herr de Zoet. Glücklicherweise ist Herr Vorstenbosch nicht nachtragend. Entschuldigen Sie sich für Ihre Hitzköpfigkeit, setzen Sie Ihren Namen unter das Papier und lassen Sie uns die kleine Meinungsverschiedenheit vergessen.»
    Vorstenbosch ist sichtlich verstimmt, aber er widerspricht van Cleef nicht.
    Mattes Sonnenlicht fällt auf das Papier in den Fenstern.
    Welcher de Zoet aus Domburg , denkt Jacob, hat je sein Gewissen verkauft?
    Melchior van Cleef riecht nach Kölnisch Wasser und Schweineschmalz.
    «Was ist aus ‹Meine Dankbarkeit gegenüber Herrn Vorstenbosch ist tief und aufrichtig› geworden, hä?»
    Eine Schmeißfliege ertrinkt in seinem Wein. Jacob hat die Liste einmal ...
    ... und dann noch einmal zerrissen, in vier Teile. Sein Herz klopft wie das eines Mörders nach der Tat.
    Ich werde dieses Geräusch des Zerreißens hören , weiß Jacob, solange ich lebe.
    Die Almelo-Uhr schlägt mit ihren winzigen Hämmern die Zeit.
    «Ich hatte de Zoet ...», Vorstenbosch wendet sich an van Cleef, «... für einen jungen Mann mit gesundem Urteilsvermögen gehalten.»
    «Ich hatte Sie», sagt Jacob, «für einen Mann gehalten, dem es sich nachzueifern lohnt.»
    Vorstenbosch nimmt Jacobs Ernennungsurkunde und reißt sie einmal ...
    ... und dann noch einmal durch. «Ich hoffe, das Leben auf Dejima gefällt Ihnen, de Zoet: Sie werden in den nächsten vier Jahren nichts anderes kennenlernen. Herr van Cleef: Wählen Sie Fischer oder Ouwehand als Ihren Stellvertreter?»
    «Eine dürftige Auswahl. Ich will keinen von beiden. Aber nehmen wir Fischer.»
    Im Empfangszimmer sagt Philander: «Verzeihung, aber Herren sind noch beschäftigt.»
    «Gehen Sie mir aus den Augen», sagt Vorstenbosch, ohne Jacob anzusehen.
    «Angenommen», denkt Jacob laut, «Gouverneur van Overstraten erführe ...»
    «Wenn Sie mir drohen, Sie scheinheiliger zeeländischer Taugenichts», antwortet Vorstenbosch ruhig, «werden wir Sie schlachten, wo Snitker nur gerupft wurde. Sagen Sie mir, Faktor van Cleef: Welche Strafe steht auf das Fälschen eines Briefes Seiner Exzellenz, des Generalgouverneurs von Niederländisch-Ostindien?»
    Jacob spürt, wie ihm Knie und Waden weich werden.
    «Das hängt von den Motiven des Täters und den Umständen ab.»
    «Was wäre, wenn ein gewissenloser Schreiber einen Brief an niemand Geringeren als den Shōgun von Japan gefälscht hätte, in dem er damit droht, den ehrwürdigen Außenposten der Kompanie zu schließen, sofern dieser nicht zwanzigtausend Pikol Kupfer nach Nagasaki entsendet - zwanzigtausend Pikol, die er offenkundig auf eigene Rechnung verkaufen wollte -, oder warum sonst hätte er seine Verfehlung vor seinen Kollegen verheimlicht?»
    «Zwanzig Jahre Gefängnis», sagt van Cleef, «wären wohl die mildeste Strafe.»
    «Sie ...», Jacob reißt entsetzt die Augen auf, «haben diese Falle schon im Juli aufgestellt?»
    «Man muss sich gegen Enttäuschungen

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