Die tausend Herbste des Jacob de Zoet
diesen Stoßtrupp zusammengeführt haben: Otane die Kräuterheilerin, die erriet, wem sein Herz gehört, Jiritsu der Novize, der sich von den Geboten des Ordens distanzierte, Enomotos frevelhaftes Treiben und noch andere teils bekannte, teils unbekannte Ereignisse und Wendungen, und Uzaemon staunt über den selbsttätigen Webstuhl des Schicksals.
«Den ersten Abschnitt unseres Aufstiegs», sagt Shuzai, «absolvieren wir in sechs Zweiergruppen mit einem Zeitabstand von jeweils fünf Minuten. Zuerst Tsuru und Yagi, dann Kenka und Muguchi, drittens Bara und Tanuki, dann Kuma und Ishi, gefolgt von Hane und Shakke und zum Schluss Junrei», er sieht Uzaemon an, «und ich. Unterhalb des Torhauses, das diese Verhöhnung der Natur sichert ...», die Männer versammeln sich um eine getuschte Karte des Berghangs, und ihr dampfender Atem vermischt sich, «... formieren wir uns neu. Ich führe Bara, Tanuki, Tsuru und Hane über diesen Steilhang, und kurz nach dem Wachwechsel stürmen wir das Tor von oben - aus unerwarteter Richtung. Wir fesseln und knebeln die Wächter und ziehen ihnen Säcke über den Kopf. Es sind nur Bauernburschen, also tötet sie nicht, es sei denn, sie bestehen darauf. Bis zum Kahlen Gipfel ist es noch einmal ein zweistündiger strammer Marsch, das heißt, die Mönche werden sich zur Nachtruhe begeben, wenn wir dort eintreffen. Kuma, Hane, Shakke und Ishi: Ihr steigt hier über die Mauer ...», Shuzai breitet seine Zeichnung des Schreins aus, «... an der Südwestseite, wo die Bäume am höchsten sind und besonders dicht stehen. Dann geht ihr zu diesem Tor hier und lasst uns rein. Wir verlangen nach dem höchstgestellten Meister und teilen ihm mit, dass Schwester Aibagawa mit uns kommen wird. Entweder er lässt sie freiwillig gehen, oder der Innenhof verwandelt sich in ein Meer aus toten Novizen. Er hat die Wahl.» Shuzai sieht Uzaemon an. «Eine Drohung, die du nicht auch ausführen würdest, ist keine Drohung.»
Uzaemon nickt, aber innerlich betet er: Bitte gib, dass niemand sein Leben verliert ...
«Enomoto», erläutert Shuzai den anderen, «kennt Junreis Gesicht aus der Shirandō-Akademie. Unser zuvorkommender Gastwirt hat uns zwar mitgeteilt, dass der Fürstabt gegenwärtig in Miyako weilt, aber Junrei darf nicht riskieren, erkannt zu werden, nicht einmal auf Umwegen. Darum wirst du nicht an dem Überfall teilnehmen.»
Es ist untragbar , denkt Uzaemon, dass ich mich draußen verstecke wie eine Frau.
«Ich weiß, was du jetzt denkst», sagt Shuzai, «aber du bist kein Mörder.»
Uzaemon nickt, entschlossen, Shuzais Meinung im Laufe des Tages zu ändern.
«Vor dem Abmarsch warne ich die Mönche, dass jeder Verfolger erbarmungslos niedergemetzelt wird. Dann treten wir mit der befreiten Frau den Rückzug an. Wir kappen die Todoroki-Brücke, um für morgen Zeit zu gewinnen. In der Stunde des Ochsen passieren wir das Torhaus auf halber Strecke, steigen in die Schlucht hinab und sind zur Stunde des Kaninchens wieder an diesem Punkt. Wir tragen die Frau in der Sänfte bis Kashima. Dort zerstreuen wir uns und verlassen das Lehen, bevor Reiter entsandt werden. Noch Fragen?»
Knorriges Gehölz knarrt und knackt. Winterlich verwehtes Laub türmt sich zu hohen Haufen. Vögel durchwirken die vielen Schichten des Dickichts mit nadelfeinem Gesang. Shuzai und Uzaemon steigen schweigend bergauf. Der Mekura ist ein tosendes, wirbelndes, dröhnendes Wesen. Der granitgraue Himmel begräbt das Tal.
Am späten Vormittag hat Uzaemon sich Blasen gelaufen.
Der Mekura ist jetzt grün und glatt wie fremdländisches Glas.
Shuzai gibt Uzaemon Öl für die schmerzenden Waden und Füße und sagt: «Die wichtigste Waffe eines Schwertkämpfers sind seine Füße.»
Auf einem runden Stein wartet ein Reiher reglos auf Fische.
«Die Leute, die du angeheuert hast», sagt Uzaemon vorsichtig, «scheinen dir blind zu vertrauen.»
«Ein paar von uns haben beim selben Meister in Imabari gelernt; fast alle haben wir bei einem niederen Fürsten im Lehen Iyo gedient, der einige heftige Gefechte mit seinen Nachbarn heraufbeschwor. Sich auf einen anderen Menschen verlassen zu müssen, damit man überlebt, schweißt enger zusammen als eine Blutsverwandtschaft.»
Ein Spritzer durchsticht den jadegrünen Wasserspiegel: Der Reiher ist fort.
Uzaemon denkt an einen Onkel, der ihm vor langer Zeit beigebracht hat, wie man Steine übers Wasser hüpfen lässt. Er denkt an die alte Frau, die er bei Sonnenaufgang gesehen hat. «Manchmal
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