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Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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benötigt mehrere Sätze für die Antwort.
    Was für eine kehlige, blubbernde Sprache das Niederländische doch ist, denkt Penhaligon.
    «Er glaubt, nein, Sir: Er hat noch nie von einem Landeversuch gehört.»
    «Seine Antwort war ausführlicher.»
    «‹Nur ein starrsinniger Dummkopf würde sein großes Beiboot aufs Spiel setzen›, Sir.»
    «Ich bin nicht zart besaitet, Mr. Hovell. Übersetzen Sie in Zukunft vollständig.»
    Der Leutnant macht ein betretenes Gesicht. «Ich bitte um Verzeihung, Captain.»
    «Fragen Sie ihn, ob Holland oder eine andere Nation Anspruch auf Torinoshima erhebt.»
    Snitkers Antwort enthält das Wort «Shōgun» und ein höhnisches Grinsen.
    «Unser Gast empfiehlt», übersetzt Hovell, «dass wir uns mit dem Shōgun beraten, bevor wir den Union Jack in Vogelscheiße stecken.» Snitker fährt fort. Hovell hört aufmerksam zu und fragt ein-, zweimal nach. «Des Weiteren sagt Mr. Snitker, dass Torinoshima gemeinhin als Wegweiser nach Japan gilt. Wenn der Wind weiter so bläst, bekommen wir morgen die ‹Gartenmauer› zu Gesicht, die Goto-Inseln, die wie Nagasaki zum Herrschaftsbereich des Fürsten von Hizen gehören.»
    «Fragen Sie ihn, ob die Niederländische Kompanie je auf den Goto-Inseln vor Anker gegangen ist.»
    Diese Frage bedarf einer längeren Antwort.
    «Er sagt, die Kapitäne der Kompanie hätten davon abgesehen ...»
    Die Phoebus stampft und bockt, und die drei Männer halten sich an der Reling fest.
    «... hätten davon abgesehen, die Behörden auf derart offene Weise zu provozieren, da auf den Inseln ...»
    Ein Schwall Gischt spritzt über den Bug; ein durchnässter Matrose flucht auf Walisisch.
    «... da dort noch versteckte Christen leben und jede Bewegung von ...»
    Einer der Kadetten stürzt mit einem Aufschrei den Niedergang hinunter.
    «... von Regierungsspitzeln überwacht wird. Es werden sich uns auch keine Proviantschiffe nähern, denn die Seeleute müssen befürchten, dass sie samt ihren Familien wegen Schmuggelei hingerichtet werden.»
    Mit jedem Stampfen des Schiffes verschwindet Torinoshima weiter in der Ferne. Der Kapitän, sein Leutnant und der Verräter geben sich schweigend ihren Gedanken hin. Sturmvögel und Seeschwalben schweben am Himmel und stoßen herab. Die Schiffsglocke schlägt das Ende der ersten Hundewache, und die Männer der Backbordwache kommen unverzüglich an Deck: Es hat sich herumgesprochen, dass der Kapitän draußen ist. Die abgelösten Männer verschwinden für zwei Stunden Freiwache unter Deck.
    Am südlichen Horizont schlägt der Himmel ein bernsteingelbes Auge auf.
    «Da, Sir!», ruft Hovell begeistert wie ein Kind. «Zwei Delphine!»
    Penhaligon sieht nur wogende schieferblaue Wellen. «Wo?»
    «Noch einer! Ein herrliches Tier!» Hovell zeigt aufs Wasser, setzt zu einem weiteren Ausruf an und sagt enttäuscht: «Jetzt sind sie weg.»
    «Dann bis zum Abendessen», sagt Penhaligon und entfernt sich.
    «Ah, Abendessen», wiederholt Snitker auf Englisch und vollführt eine Trinkgeste.
    Gib mir Geduld, Penhaligon lächelt gequält, und Kaffee.

    Der Proviantmeister hat den Tagesverbrauch aufgerechnet und verlässt die Kajüte. Seine dröhnende Stimme und der Leichenhausgeruch seines Atems haben Penhaligon Kopfschmerzen beschert, die sich mit dem Schmerz in seinem Knöchel messen können. «Nur eines ist schlimmer, als mit einem Proviantmeister zu verhandeln», hatte sein einstiger Förderer Kapitän Golding ihn vor vielen Jahren gelehrt. «Ein Proviantmeister zu sein! Jede Gemeinschaft braucht einen Buhmann. Seien Sie froh, wenn der Hass sich gegen ihn und nicht gegen Sie richtet.»
    Penhaligon trinkt die schlickige Neige in seiner Kaffeetasse. Kaffee schärft meinen Verstand, denkt er, aber er brennt mir im Magen und stärkt meinen alten Feind. Seit sie die Prince-of-Wales-Insel verlassen haben, lässt sich die unliebsame Wahrheit nicht mehr leugnen: Die Gicht hat zum zweiten»Mal zugeschlagen. Der erste Schub ereilte ihn vergangenen Sommer in Bengalen: Die Hitze war mörderisch, und ebenso mörderisch waren die Schmerzen. Vierzehn Tage lang ertrug sein Fuß keinerlei Berührung, nicht einmal durch ein Baumwolllaken. Der erste Angriff der Krankheit lässt sich noch mit einem Lachen als Tribut an das Leben in der Marine abtun, aber beim zweiten besteht Gefahr, dass man als gichtkranker Kapitän abgestempelt wird, und das könnte seine Hoffnungen zerschlagen, in die Admiralität aufzusteigen. Hovell wird vielleicht Verdacht schöpfen, denkt

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