Die tausend Herbste des Jacob de Zoet
nämlich singen es die Huren in Gosport, und ich muss es wissen, weil, nach dem Glorreichen Ersten Juni habe ich einer meinen Stößel in die Feige -»
«Und am nächsten Morgen», sagt die Stimme, «war sie mit seinem Prisengeld getürmt.»
«Darum geht’s doch gar nicht: Es geht darum, dass wir ’n holländisches Handelsschiff aufbringen wollen, das voll ist mit dem rötesten, goldensten Kupfer auf Gottes schöner Erde.»
Kapitän Penhaligon betritt mit eingezogenem Kopf die Krankenstation. Die sechs bettlägerigen Patienten nehmen eine steife, schuldbewusste Körperhaltung ein, und der Schiffsarztgehilfe, ein pockennarbiger Londoner namens Rafferty, springt auf und stellt rasch die Schale mit den Pinzetten, Spaten und Knochenfeilen beiseite, die er gerade ölen wollte. «Tag, Sir: Der Arzt ist unten im Orlopdeck. Soll ich ihn holen lassen?»
«Nein, Mr. Rafferty: Ich mache nur meinen Rundgang. Geht es Ihnen besser, Mr. Tozer?»
«Kann nicht behaupten, dass meine Brust seit letzter Woche zusammengewachsen ist, aber ich bin schon froh, dass ich überhaupt am Leben bin. War ein hübscher Sturz so ohne Flügel. Und Mr. Waldron sagt, er findet einen Platz für mich an den Kanonen, also nehm ich’s als Gelegenheit, was Neues zu lernen.»
«Bravo, Tozer, das ist die richtige Einstellung.» Penhaligon wendet sich an Tozers jungen Nachbarn. «Jack Fletcher, richtig?»
«Verzeihung, Sir, Jack Thatcher .»
« Ich bitte um Verzeihung, Jack Thatcher. Und was führt Sie in die Krankenstation?»
Rafferty antwortet für den errötenden jungen Mann: «Reimt sich auf Diarrhö, Captain.»
«Ein Tripper? Sicher ein Andenken aus Penang. Wie weit fortgeschritten?»
Wieder übernimmt Rafferty das Antworten: «Seine Gießkanne ist rot wie die Mütze eines römischen Bischofs und sondert Käse ab, Sir. Auf einem Auge sieht er nur verschwommen, und das Pinkeln tut höllisch weh, hab ich recht, Jack? Sein Quecksilber hat er schon bekommen, aber der Hühnerstall bleibt wohl eine Weile geschlossen für ihn ...»
Schuld daran, denkt Penhaligon, ist die Marineführung, die den Matrosen die Behandlung von Geschlechtskrankheiten in Rechnung stellt und die Männer dadurch förmlich ermuntert, es mit den Hausmitteln jedes alten Seebären zu probieren, bevor sie sich an den Schiffsarzt wenden. Wenn ich ins Oberhaus berufen werde , denkt Penhaligon, schaffe ich diesen scheinheiligen Unsinn ab. Er selbst hat sich die Franzosenkrankheit einmal eingefangen, in einem Badehaus für Offiziere auf St. Kitts, und auch er vertraute sich aus Angst und Scham dem Schiffsarzt der Trincomolee erst an, als das Wasserlassen unerträglich wurde. Wäre er noch Unteroffizier, würde er Jack Thatcher die Geschichte jetzt erzählen, aber ein Kapitän muss seine Autorität wahren. «Sie haben hoffentlich gelernt, welchen Preis man als Leichtfuß bezahlt, Thatcher?»
«Ich hab’s mir hinter beide Ohren geschrieben, Sir, Ehrenwort.»
Und dennoch wirst du bald mit einer anderen schlafen , weiß Penhaligon, und dann mit der nächsten und immer so weiter ... Er unterhält sich kurz mit den anderen Patienten: ein fiebernder Mann vom Land, der in St. Ives gepresst wurde und dessen gequetschter Daumen vielleicht amputiert werden muss, ein Mann von den Bermudas mit einem vereiterten Backenzahn und vor Schmerz glasigen Augen, und ein Shetlander mit wucherndem Bart, der so schlimm an Elefantiasis leidet, dass seine Hoden schon auf Mangogröße angeschwollen sind. «Ich bin gesund wie ein Fisch an Land», berichtet er, «Gott segne Sie fürs Nachfragen, Captain.»
Penhaligon erhebt sich.
«Verzeihung, Sir», sagt Michael Tozer, «ob Sie wohl einen Streit für uns schlichten würden?»
Ein stechender Schmerz schießt durch Penhaligons Fuß. «Wenn ich kann, Mr. Tozer.»
«Bekommen Matrosen ihren rechtmäßigen Anteil am Prisengeld, wenn sie im Lazarett liegen, Sir?»
«Die Marinevorschriften, denen ich folge, sagen, ja.»
Tozer wirft Rafferty einen triumphierenden Blick zu. Penhaligon ist versucht, das Sprichwort vom Spatz in der Hand anzuführen, aber er will der guten Stimmung der Mannschaft keinen Dämpfer versetzen. Er wendet sich an den Arztgehilfen. «Es gibt doch noch einige Dinge, die ich gerne mit Doktor Nash besprechen würde. Sie sagten, er hält sich unten in seiner Kajüte auf?»
Ein Haufen übler Gerüche schlägt dem Kapitän entgegen, als er langsam die Treppe zum Kojendeck hinabsteigt. Im Winter ist es dort dunkel, feucht und kalt, im
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