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Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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Sturm.
    «Haben Sie schon einmal daran gedacht, sich an Land als Apotheker zu verdingen, Mr. Nash?»
    «Kommt nicht in Frage, Sir!» Nash lächelt nicht über den nett gemeinten Scherz.
    «Ich sehe schon die Porzellanfläschchen mit Nashs patentiertem Elixier in den Regalen.»
    «Den meisten Händlern ...», Nash träufelt Laudanum in einen Zinnbecher, «... wurde bei der Geburt das Gewissen entfernt. Lieber in Ehren untergehen, als durch Heuchelei, Schulden oder das Gesetz langsam dahinzusterben.» Er rührt die Mischung um und gibt den Becher dem Patienten. «Mit einem Schluck, Captain.»
    Penhaligon gehorcht und schüttelt sich. «Rizinusöl kann den Geschmack nur verbessern.»
    «Sie bekommen täglich eine Dosis, Sir. Und jetzt zum Aderlass.» Er holt eine Auffangschale und ein rostiges Skalpell und nimmt den Unterarm des Kapitäns. «Meine schärfste Klinge: Sie werden ...»
    Penhaligon verkneift sich das «Aua!», einen Fluch und das Zusammenzucken.
    «... nicht das Geringste spüren.» Nash führt den Katheter ein, damit die Wunde sich nicht verschließt. «Und jetzt ...»
    «Stillhalten. Ich weiß.» Blut tropft in die Schale und bildet langsam eine Pfütze.
    Um sich abzulenken, denkt Penhaligon ans Abendessen.

    «Bezahlte Informanten», sagt Leutnant Hovell, nachdem man den angetrunkenen Daniel Snitker zur Erholung von der abendlichen Völlerei in seine Kajüte gebracht hat, «tischen ihren Kunden das auf, was sie ...», das Schiff schwankt und zittert, und die Lampen drehen sich in ihrer Aufhängung, «... gerne hören wollen. Während seiner Dienstzeit als Botschafter in Den Haag stellte mein Vater die Worte eines gewissenhaften Informanten stets über die eidesstattlichen Versicherungen zehn gewinnsüchtiger Spitzel. Das soll nicht heißen, dass Snitker uns in jedem Fall betrügt, aber wir täten gut daran, seine ‹wertvollen Auskünfte› nicht bedenkenlos zu schlucken - das gilt besonders für die sonnige Prognose, dass die Japaner wortlos zusehen werden, wenn wir den Besitz ihres alten Verbündeten beschlagnahmen.»
    Auf ein Zeichen Penhaligons räumen Chigwin und Jones den Tisch ab.
    «Der Krieg in Europa ...», Major Cutlip, dessen Gesicht fast so rot ist wie seine Uniformjacke, nagt den letzten Fetzen Fleisch von seinem Hühnerschlegel, «... geht die verfluchten Asiaten nichts an.»
    «Eine Ansicht», erwidert Hovell, «die von den verfluchten Asiaten möglicherweise nicht geteilt wird, Major.»
    «Dann muss man ihnen eben beibringen , sie zu teilen, Mr. Hovell», schnaubt Cutlip.
    «Angenommen, das Königreich Siam unterhielte seit anderthalb Jahrhunderten eine Handelsstation in, sagen wir in Bristol ...»
    Cutlip wirft Leutnant Wren ein triumphierendes Grinsen zu.
    «... in Bristol», fährt Hovell unbeirrt fort, «und eines Tages segelte eine chinesische Kriegsdschunke herein, beschlagnahmte ohne Erlaubnis den gesamten Besitz unseres Verbündeten und verkündete London, dass China von nun an den Platz der Siamesen einnehme. Würde Mr. Pitt sich das gefallen lassen?»
    «Wenn Mr. Hovells Kritiker», sagt Wren, «das nächste Mal über seine Humorlosigkeit spotten ...»
    Penhaligon stößt das Salzfass um und wirft sich eine Prise über die Schulter.
    «... werde ich sie mit seiner phantastischen Geschichte von einer siamesischen Faktorei in Bristol verblüffen.»
    «Es geht hier um Fragen der Landeshoheit», beharrt Robert Hovell. «Der Vergleich ist absolut zutreffend.»
    Cutlip schwenkt den Hühnerschlegel. «Wenn mich acht Jahre Neusüdwales etwas gelehrt haben, dann, dass gelehrte Begriffe wie ‹Landeshoheit› oder ‹Gesetz›, ‹Eigentum›, ‹Jurisprudenz› oder ‹Diplomatie› für uns Weiße etwas anderes bedeuten als für die unterentwickelten Rassen. Der arme Philip legte sich in Sydney Cove verdammt ins Zeug, um mit dem zurückgebliebenen schwarzen Gesindel, auf das wir dort trafen, zu ‹verhandeln›. Haben seine hehren Ideale die faulen Hunde davon abgehalten, uns die Vorräte zu klauen, als gehörte die Bucht ihnen?» Cutlip spuckt in den Spucknapf. «Tatkräftige Engländer und Londoner Musketen haben in den Kolonien das Sagen und nicht feige Diplomatie, und auch in Nagasaki werden vierundzwanzig Kanonen und vierzig gutgedrillte Seesoldaten den Sieg davontragen. Man kann nur hoffen», er zwinkert Wren zu, «dass die entzückende Chinesin, die unserem Ersten Leutnant in Bengalen das Bett gewärmt hat, nicht auf seine makellos weiße Haut abgefärbt hat.»
    Was ist bloß

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