Die tausend Herbste des Jacob de Zoet
Shiroyama blickt zu den drei in Ungnade gefallenen Männern. «Ehrenhafte Männer», verkündet er, «dulden nicht, dass ihre Schutzbefohlenen entführt werden. Zum Ausgleich ihrer Verfehlung wird man sie zum Schiff der Eindringlinge rudern. Iwase wird die Erlaubnis erwirken, dass die drei an Bord kommen dürfen, um die beiden» - das nächste Wort Shiroyamas muss «Geiseln» bedeuten - «mit einem» - das nächste Wort muss «Lösegeld» bedeuten - «auszulösen. Sobald sie an Bord sind, werden sie den englischen Kapitän mit verborgen mitgeführten Messern niederstechen. Das entspricht nicht den Grundsätzen des Bushidō, aber diese Piraten verdienen es, wie Hunde zu sterben.»
«Aber dann werden die Engländer Kōda-sama, Suruga-sama und Iwase-sama töten, und -»
«Der Tod wird sie von ihrer» - das nächste Wort könnte «Feigheit» bedeuten - «reinigen.»
Wie soll es zu einer Lösung führen, seufzt Jacob innerlich, wenn die drei faktisch Selbstmord begehen? Er wendet sich an Yonekizu: «Bitte erklären Sie Seiner Exzellenz, dass die Engländer ein niederträchtiges Volk sind und dass sie nicht nur die drei Diener Seiner Exzellenz töten werden, sondern ebenso Faktor van Cleef und Stellvertreter Fischer.»
Das bedeutungsvolle Schweigen, mit dem sein Einwand gehört wird, verrät Jacob, dass die Berater des Statthalters diesen Einwand bereits vorgebracht oder aus Furcht zurückgehalten haben.
Shiroyama wirkt verstimmt. «Welche Handlungsweise würde der amtierende Faktor vorschlagen?»
Jacob fühlt sich wie ein Angeklagter vor Gericht. «Für den Augenblick wäre die beste Handlungsweise, gar nicht zu handeln.»
Seine Worte lösen Verwunderung aus; ein Berater neigt sich Shiroyamas Ohr zu ...
Jacob benötigt erneut Yonekizus Hilfe. «Erklären Sie dem Statthalter, dass der englische Kapitän uns auf die Probe stellt. Er wartet ab, ob die Japaner und Niederländer reagieren und ob wir Gewalt oder Diplomatie einsetzen.» Yonekizu runzelt beim letzten Wort die Stirn. «Wörter, Gespräche, Verhandlungen. Reagieren wir hingegen nicht, werden die Engländer ungeduldig. Und ihre Ungeduld wird sie veranlassen, ihre wahren Absichten offenzulegen.»
Der Statthalter hört zu, nickt langsam und befiehlt Jacob: «Sagen Sie, welche Absichten Sie vermuten.»
Jacob folgt seinem Instinkt und antwortet wahrheitsgemäß. «Anfangs kamen sie», sagt er auf Japanisch, «um das Schiff aus Batavia samt seiner Kupferfracht zu kapern. Als sie kein Schiff vorfanden, nahmen sie Geiseln. Sie ...», er hofft, dass seine Rede einen Sinn ergibt, «sie wollen Kenntnisse erwerben.»
Shiroyama verschränkt die Finger. «Kenntnisse über niederländische Streitkräfte auf Dejima?»
«Nein, Exzellenz: Kenntnisse über Japan und das japanische Reich.»
Die Berater flüstern miteinander. Enomoto starrt ausdruckslos ins Leere. Jacob sieht ein Gesicht wie ein Totenschädel.
«Männer von Ehre», der Statthalter hebt den Fächer, «sterben lieber unter der Folter, bevor sie Informationen an den Feind preisgeben.» Alle Anwesenden bis auf Kammerherr Kōda, Inspektor Suruga und Dolmetscher Iwase nicken in empörter Zustimmung.
Niemand von euch , denkt Jacob, hat je einen echten Krieg erlebt.
«Aber warum», fragt Shiroyama, «gieren die Engländer danach, etwas über Japan zu erfahren?»
Ich nehme etwas auseinander , denkt Jacob, das ich nicht wieder zusammenfügen kann.
«Vermutlich wollen die Engländer in Nagasaki wieder Handel treiben, Exzellenz.»
Mein Spielzug ist gemacht, denkt der amtierende Faktor, und lässt sich nicht mehr rückgängig machen.
«Warum», fragt der Statthalter, «verwenden Sie das Wort ‹wieder›?»
Fürstabt Enomoto räuspert sich. «Die Aussage des amtierenden Faktors ist korrekt, Statthalter. In der Regierungszeit des ersten Shōguns trieben die Engländer schon einmal Handel in Nagasaki - damals wurde hauptsächlich Silber ausgeführt. Zweifellos sind die damals erzielten Gewinne dem Land im Gedächtnis haftengeblieben ... doch der amtierende Faktor de Zoet weiß darüber selbstverständlich mehr als ich.»
Gegen seinen Willen stellt Jacob sich vor, wie Enomoto Orito aufs Bett drückt.
Willentlich stellt er sich vor, wie er Enomoto erschlägt.
«Wie wollen sie unser Vertrauen gewinnen», fragt Shiroyama, «wenn sie unsere Verbündeten als Geisel nehmen?»
Jacob wendet sich an Yonekizu. «Bitte teilen Sie dem Statthalter mit, dass die Engländer nicht auf Vertrauen aus sind. Die Engländer wollen
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