Die tausend Herbste des Jacob de Zoet
auf Penhaligon.
«Er spricht uns für unser Vorhaben Mut zu. Er sagt ... wenn ein so unbescholtener Mann wie Snitker sich mit diesem Herren verbünde - er meint Sie, Sir -, werde er sich mit Freuden für seine Unverschämtheit entschuldigen und Ihre Schuhe höchstpersönlich putzen.»
«Halten Sie diese Kehrtwende für aufrichtig, Lieutenant?»
«Ich ...» Hovell blickt zu van Cleef hinüber, der Snitker lachend an sich drückt und ein paar Worte an Penhaligon richtet. «Er dankt Ihnen, Sir, von ganzem Herzen ... dass Sie ihm seinen teuren Kameraden zurückgebracht haben ... und er hofft, dass die Phoebus die Wiedergeburt eines englisch-niederländischen Bündnisses verkündet.»
«Manchmal», seufzt der Kapitän, «geschehen doch noch Wunder. Fragen Sie ihn, ob -»
Van Cleef verpasst Snitker einen Fausthieb in die Magengrube.
Snitker klappt zusammen wie ein Taschenmesser.
Van Cleef packt sein nach Luft schnappendes Opfer und schleudert es über das Schanzkleid.
Es ist kein Schrei zu hören, nur ein lautes Klatschen, als Snitker auf dem Wasser aufschlägt.
«Mann über Bord!», ruft Wren. «Bewegung, ihr faulen Hunde! Fischt ihn raus!»
«Schaffen Sie ihn mir aus den Augen, Major!», knurrt Penhaligon.
Als van Cleef zum Niedergang geführt wird, feuert er noch eine Bemerkung ab.
«Er drückt seine Verwunderung darüber aus, Captain», übersetzt Hovell, «dass ein britischer Kapitän Hundescheiße auf seinem Achterdeck duldet.»
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XXXII
Der Wachtturm auf Dejima
Viertel nach zehn am Morgen des 18. Oktober 1800
Als der Union Jack am Bugspriet der Fregatte erscheint, weiß Jacob de Zoet: Der Krieg ist da. Der Bootswechsel seiner Kollegen hat ihm Kopfzerbrechen bereitet, aber nun ist das sonderbare Geschehen aufgeklärt: Faktor van Cleef und Peter Fischer sind entführt worden. Unter ihm liegt Dejima in süßer Ahnungslosigkeit der turbulenten Vorgänge, die sich auf dem ruhigen Wasser abspielen. Eine Gruppe Kaufleute betritt Arie Grotes Haus, und froh gestimmte Wachleute öffnen das seit langem verschlossene Zollhaus an der Seepforte. Jacob wirft einen letzten Blick durch das Fernrohr. Das Empfangskomitee rudert nach Nagasaki zurück, als ginge es um sein Leben. Wir müssen ihnen beim Statthalter zuvorkommen , denkt Jacob. Er eilt die Holztreppe hinunter, läuft durch die Gasse auf die Lange Straße, löst das Seil der Feuerglocke und läutet mit aller Kraft.
Im Empfangszimmer haben sich die acht auf Dejima verbliebenen Europäer am ovalen Tisch versammelt: die Beamten Jacob de Zoet, Ponke Ouwehand, Dr. Marinus und Con Tomey sowie die Arbeiter Arie Grote, Piet Baert, Wybo Gerritszoon und der junge Ivo Oost. Eelattu sitzt unter dem Kupferstich der Brüder de Witt. In der letzten Viertelstunde ist die anfängliche Jubelstimmung Erstaunen, Ratlosigkeit und Trübsal gewichen. «Bis wir die Freilassung von Faktor van Cleef und Stellvertreter Fischer erwirken können», sagt Jacob, «übernehme ich die Leitung der Handelsstation. Natürlich ist eine solche Selbsternennung in höchstem Grade regelwidrig, und ich werde alle vorgebrachten Einwände ohne Groll ins Protokollbuch eintragen. Aber unsere Gastgeber werden nur mit einem von uns verhandeln wollen, und ich bin jetzt der Ranghöchste.»
«Ibant qui poterant», verkündet Marinus, «qui non potuere cadebant.»
«Amtierender Faktor de Zoet», Grote räuspert sich, «das klingt doch sehr gefällig.»
«Besten Dank, Herr Grote. Und wie klingt ‹amtierender Stellvertreter Ouwehand›?»
Die Tischrunde bestätigt die Ernennung mit kräftigem Nicken.
«Auf so sonderbare Weise bin ich zwar noch nie befördert worden», sagt Ouwehand, «aber ich nehme das Amt an.»
«Wir müssen beten, dass wir unsere Ämter nur vorübergehend innehaben, aber bevor die Inspektoren des Statthalters die Treppe hinaufpoltern, möchte ich, dass wir uns auf einen Grundsatz einigen, nämlich dass wir uns gegen die Eroberung Dejimas zur Wehr setzen.»
Die Europäer nicken wieder, manche trotzig, andere eher unter Vorbehalt.
«Sind die denn hier», fragt Ivo Oost, «um sich die Faktorei unter den Nagel zu reißen?»
«Darüber können wir nur Vermutungen anstellen, Herr Oost. Vielleicht haben sie mit einem Handelsschiff voller Kupfer gerechnet. Vielleicht wollen sie unsere Speicher plündern. Oder sie sind auf ein saftiges Lösegeld für ihre Geiseln aus. Leider fehlt es uns an verwertbaren Tatsachen.»
«Mir macht viel mehr Sorge», wendet Arie Grote ein, «dass
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