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Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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in die Augen zu sehen.
    ... indem ich Seppuku begehe, bevor die Regierung in Edo meine Verhaftung anordnet.
    Hinter ihm ertönt leises Räuspern. «Darf ich sprechen, Statthalter?»
    «Es ist gut, dass jemand das Wort ergreift, Fürstabt.»
    «Das Lehen Kyōga ist eher eine geistliche denn eine militärische Festung, aber es liegt ganz in der Nähe. Wenn ich sogleich einen Boten entsende, kann ich innerhalb von drei Tagen zweihundertfünfzig Soldaten aus Kashima und Isahaya nach Nagasaki beordern.»
    Diese sonderbare Gestalt , denkt Shiroyama, gehört zu meinem Leben wie zu meinem Tod.
    «Befehlen Sie sie her, Fürstabt, im Namen des Shōguns.» Der Statthalter sieht einen Hoffnungsschimmer. Das Kriegsschiff eines ausländischen Angreifers zu kapern, wäre eine Ruhmestat, die meine Vergehen vielleicht , vielleicht in den Hintergrund treten ließe. Er wendet sich an den Befehlshaber der Wache. «Schicken Sie Reiter zu den Fürsten von Hizen, Chikugo und Higo, ausgestattet mit dem Befehl, im Namen des Shōguns jeweils fünfhundert bewaffnete Soldaten zu entsenden. Unverzüglich und ohne Umstände. Das Reich befindet sich im Krieg.»

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    XXXIV

    Kapitän Penhaligons Schlafkajüte auf HMS Phoebus

    Bei Morgengrauen am 19. Oktober 1800
     
    John Penhaligon erwacht aus einem Traum von stockfleckigen Vorhängen und Mondwäldern. Sein Sohn steht an seinem Bett. «Tristingle, mein lieber Junge! Ich hatte entsetzliche Träume! In einem warst du auf der Blenheim gefallen und ...», Penhaligon seufzt, «... und in einem anderen hatte ich sogar vergessen, wie du aussiehst. Nicht dein Haar -»
    «Nein, Pa», der hübsche Bursche lächelt, «den brennenden Busch kannst du gar nicht vergessen!»
    «Manchmal träumte ich auch, du wärest noch am Leben ... Es war ein ... schmerzliches Erwachen.»
    «Hier!» Er lacht, wie Meredith gelacht hat. «Ist diese Hand etwa Einbildung?»
    John Penhaligon greift die warme Hand seines Sohnes und bemerkt die Epauletten eines Kapitäns.
    «Meine Phaeton wurde entsandt, um deiner Phoebus zu helfen, diese harte Nuss zu knacken, Vater.»
    «Linienschiffe ernten den Ruhm», würde Penhaligons Mentor Kapitän Golding jetzt sagen, «aber Fregatten sacken die Beute ein!»
    «Nirgends auf der Welt», stimmt Tristram zu, «lässt sich mehr erbeuten als in den Häfen und auf den Märkten Asiens.»
    «Blutwurst, Eier und gebratenes Brot wären ... herrlich, mein Junge.»
    Warum , fragt sich Penhaligon, antworte ich auf eine nicht gestellte Frage?
    «Ich sage Jones Bescheid», Tristram entfernt sich, «und bringe dir die Times of London mit.»
    Penhaligon lauscht dem leisen Klappern von Tellern und Besteck ...
    ... und streift die vertanen Jahre nutzlosen Kummers ab wie eine Schlangenhaut.
    Wo will Tristram , fragt er sich, im Hafen von Nagasaki die Times auftreiben?
    Eine boshafte Katze beobachtet ihn vom Fuß des Bettes -oder ist es eine Fledermaus?
    Mit taubstummem Brummen reißt sie das Maul auf: ein Nadelkissen, gespickt mit spitzen Zähnen.
    Sie will mich beißen , denkt Penhaligon, und der Gedanke ist das Stichwort für den Teufel.
    Ein brennender Schmerz durchzuckt seinen rechten Fuß, und ein «Aaaaaaah!» entweicht seinem Mund wie Dampf einem Kessel.
    Hellwach, in völliger Dunkelheit, ringt der Vater des toten Tristram mit einem weiteren Schmerzensschrei.
    Das leise Klappern von Tellern und Besteck verstummt, und besorgte Schritte nähern sich der Kajüte. Chigwins Stimme ertönt: «Ist alles in Ordnung, Sir?»
    «Alles in Ordnung.» Der Kapitän schluckt. «Ein Albtraum hat mich heimgesucht.»
    «Ich leide selbst darunter, Sir. Das Frühstück wird mit der ersten Glocke serviert.»
    «Ausgezeichnet, Chigwin. Warten Sie: Ziehen die Boote der Einheimischen immer noch ihre Runden um unser Schiff?»
    «Nur die beiden Wachtboote, Sir, aber unsere Seesoldaten haben sie die ganze Nacht beobachtet, und sie kamen nicht näher als zweihundert Yards. Andernfalls hätte ich Sie geweckt. Abgesehen davon sind heute Morgen höchstens ein paar Enten auf See. Alles andere haben wir verscheucht.»
    «Ich bin gleich so weit, Chigwin. Fahren Sie mit Ihrer Arbeit fort.» Aber als Penhaligon das Gewicht auf den geschwollenen Fuß verlagert, bohrt sich der Schmerz wie Dornen in sein Fleisch. «Chigwin, bitte sagen Sie Schiffsarzt Nash, er soll gleich vorbeischauen: Meine Podagra zwickt ein wenig.»
     
    Schiffsarzt Nash untersucht den Knöchel, der auf die doppelte Größe angeschwollen ist. «Mit Hindernisläufen

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