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Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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«Heiß und frisch.»
    Jacob sieht Ouwehand an. In dessen Gesicht steht «Hab ich’s nicht gesagt?» geschrieben.
    «Danke, Herr Baert, aber vielleicht verzichte ich heute lieber.»
    «Aber wir haben uns ganz besondere Mühe gegeben», protestiert der Antwerpener. «Extra für Sie.»
    Oost gähnt herzhaft: Jacob riskiert eine scherzhafte Bemerkung. «Schlimme Nacht gehabt?»
    «Hab bis zum Morgengrauen geschmuggelt und die Kompanie ausgeraubt, was sonst?»
    «Das weiß ich nicht, Herr Oost.» Jacob bricht sein Brot. «Haben Sie wirklich?»
    «Ich dachte, Sie wussten schon alles, bevor Sie an Land gekommen sind.»
    «Höflichkeit», ermahnt ihn Twomey in seinem irisch eingefärbten Niederländisch, «ist...»
    « Er ist es doch, der über uns alle zu Gericht sitzt, Con, und du denkst genauso.»
    Oost ist der Einzige der Belegschaft, der sich in nüchternem Zustand traut, dem neuen Sekretär seine Meinung ins Gesicht zu sagen, aber Jacob weiß, dass sogar van Cleef ihn für Vorstenboschs Spitzel hält. Die Küche wartet auf seine Antwort. «Um ihre Schiffe zu bemannen, ihre Garnisonen zu erhalten und die vielen Zehntausende Gehälter einschließlich des Ihren zu bezahlen, Herr Oost, muss die Kompanie Gewinn erwirtschaften. Ihre Handelsniederlassungen müssen Bücher führen. Dejimas Bücher der vergangenen fünf Jahre sind in einem saumäßigen Zustand. Es ist Herrn Vorstenboschs Pflicht, mich anzuweisen, Ordnung in die Bücher zu bringen. Meine Pflicht ist es, seinen Anweisungen zu folgen. Muss ich deswegen gleich ein Judas sein?»
    Niemand will darauf antworten. Peter Fischer kaut mit offenem Mund.
    Ouwehand schaufelt Sauerkraut auf sein Brot.
    « Ich glaube», sagt Grote, während er das Geflügel ausnimmt, «es kommt nur drauf an, was der Chef gegen irgendwelche ... Unregelmäßigkeiten unternimmt, die beim In-Ordnung-Bringen ans Licht kommen. Sagt er: ‹Böser Junge, tu das nie wieder›? Gibt’s ’ne kräftige, aber verdiente Abreibung auf den Allerwertesten? Oder heißt es, Leben kaputt - und ’ne winzige Zelle in einem batavischen Gefängnis ...?»
    Jacob sagt nicht: «Wenn Sie nichts verbrochen haben, haben Sie auch nichts zu befürchten» - jeder im Raum verstößt gegen die Kompanievorschriften zum privaten Handel. Er sagt auch nicht: «Ich bin nicht der persönliche Beichtvater des Faktors.» Er sagt: «Haben Sie schon den Versuch unternommen, Herrn Vorstenbosch persönlich danach zu fragen?»
    «Es steht meinesgleichen nicht zu», erwidert Grote, «meine Vorgesetzten auszufragen.»
    «Dann müssen Sie abwarten, wie Faktor Vorstenbosch entscheidet.»
    Eine unkluge Antwort, denkt Jacob, die darauf schließen lässt, dass ich mehr weiß, als ich sage.
    Oost imitiert leise einen kläffenden Hund. Baerts Lachen klingt wie ein Schluckauf.
    Eine Apfelschale gleitet in einer vollendeten Spirale von Fischers Messer. «Dürfen wir nachher mit Ihrem Besuch in unserem Kontor rechnen? Oder schaffen Sie mit Ihrem Freund Ogawa weiter Ordnung im Speicher Doorn?»
    «Ich werde tun», Jacob hört, dass seine Stimme lauter wird, «was Herr Vorstenbosch mir aufträgt.»
    «Ach? Habe ich da einen wunden Punkt getroffen? Ouwehand und ich möchten nur wissen ...»
    «Habe ich» - Ouwehand blickt fragend zur Decke - «auch nur ein Wort gesagt?»
    «... möchten nur wissen, ob unser angeblicher dritter Buchhalter uns heute behilflich sein wird.»
    «Nicht ‹dritter Buchhalter›», korrigiert ihn Jacob, «sondern Revisor, so wie Sie nicht der Kontorleiter sind.»
    «Ach? Dann haben Sie und Herr Vorstenbosch doch über die Frage der Rangfolge gesprochen?»
    «Sorgen diese Kabbeleien vor den niederen Rängen», fragt Grote scheinheilig, «für die Hebung des Gemüts?»
    Die verzogene Küchentür knarrt, und Cupido, der Diener des Faktors, betritt den Raum.
    «Was willst du, du dunkelhäutiger Hund?», fragt Grote. «Du hast dein Fressen schon bekommen.»
    «Ich bringe eine Nachricht für Sekretär de Zoet: Faktor wünscht, Sie kommen in Empfangszimmer.»
    Baerts Lachen erstickt an seiner ständig verstopften Nase.
    «Ihr Frühstück», Grote hackt dem Fasan die Füße ab, «ist sicher bei mir aufgehoben.»
    «Braver Junge!», flüstert Oost mit einem unsichtbaren Hund. «Sitz! Platz!»
    «Nicht doch ein Schlückchen Kaffee zur Stärkung?» Baert hält Jacob die Schale hin.
    «Ich glaube», Jacob steht auf, «ich verzichte auf die besonderen Zusätze.»
    «Es setzt Ihnen doch keiner zu», Baert macht ein verständnisloses

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