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Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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Gesicht, «ich ...» Der Pastorenneffe schlägt ihm die Schale aus der Hand.
    Sie zerschellt an der Wand und landet in Scherben auf dem Boden.
    Die Zuschauer sind baff, Oost hört auf zu kläffen, Baert ist klitschnass.
    Selbst Jacob staunt. Er steckt sein Brot ein und geht.

    Im Raum der Flaschen vor dem Empfangszimmer stehen fünfzig bis sechzig zum Schutz vor Erdbeben an die Wand gedrahtete Glasballons. Darin sind die verschiedensten Geschöpfe aus dem einst großen Reich der Kompanie ausgestellt. Durch Alkohol, Schweinsblasen und Blei vor dem Zerfall geschützt, gemahnen sie nicht an die Vergänglichkeit allen Fleisches - welcher geistig gesunde Mensch vergisst diese Wahrheit schon lange? -, sondern fuhren dem Betrachter vor Augen, dass Unsterblichkeit einen stolzen Preis hat.
    Ein eingelegter Drache aus Kandy birgt eine gespenstische Ähnlichkeit mit Annas Vater, und Jacob erinnert sich an eine schicksalhafte Unterhaltung mit diesem Herrn in dessen Rotterdamer Salon. Draußen fuhren Kutschen vorbei, und der Laternenanzünder machte seine Runde. «Anna», begann ihr Vater, «hat mich über die unerwartete Sachlage unterrichtet, de Zoet ...»
    Neben dem Drachen aus Kandy steht eine Viper aus Celebes mit klaffendem Maul.
    «... und infolgedessen habe ich eine Liste Ihrer Vorzüge und Schwächen erstellt.»
    Ein Krokodiljunges aus Halmahera grinst wie ein entzückter Dämon.
    «Auf der Habenseite: Sie sind ein penibler Buchhalter mit gutem Leumund ...»
    Die Nabelschnur des Krokodils hängt für alle Ewigkeit an seinem Panzer.
    «... der Annas Zuneigung nicht zu seinem Vorteil ausgenutzt hat.»
    Vorstenbosch hat Jacob davor bewahrt, eine Stellung in Halmahera anzunehmen.
    «Auf der Sollseite: Sie sind Buchhalter, kein Kaufmann oder Spediteur ...»
    Eine Schildkröte von der Insel Diego Garcia sieht aus, als würde sie weinen.
    «... ja nicht einmal Magazinverwalter, sondern nur ein einfacher Buchhalter. Ich zweifle nicht an Ihrer Zuneigung.»
    Jacob drückt die kaputte Nase an ein Glas, in dem ein Barbados-Neunauge schwimmt.
    «Aber Zuneigung ist nur die Beigabe: Worauf es ankommt, ist Vermögen .»
    Das o-förmige Maul des Neunauges ist ein Mahlwerk aus rasiermesserscharfen Vs und Ws.
    «Ich will Ihnen jedoch die Möglichkeit geben, sich Ihr Vermögen zu verdienen, de Zoet - aus Achtung für Annas Menschenkenntnis. Ein Direktor des Ostindienhauses verkehrt in meinem Club. Wenn Ihr Wunsch, mein Schwiegersohn zu werden, so groß ist, wie Sie behaupten, wird er Ihnen eine fünfjährige Stellung als Buchhalter auf Java beschaffen. Das Gehalt ist mager, aber ein junger Mann mit unternehmerischem Geist kann dort etwas aus sich machen. Sie müssen mir allerdings noch heute Bescheid geben: Die Fadrelandet segelt in vierzehn Tagen von Kopenhagen ...»
    «Neue Freunde?» Stellvertreter van Cleef beobachtet ihn von der Tür zum Empfangszimmer.
    Jacob reißt den Blick von dem Neunauge los. «Ich bin nicht in der feudalen Lage, wählerisch sein zu können, Herr Stellvertreter.»
    Jacobs Offenheit entlockt van Cleef ein verlegenes Räuspern. «Herr Vorstenbosch hat jetzt Zeit für Sie.»
    «Sind Sie bei unserer Unterredung nicht dabei?»
    «Roheisen trägt und wiegt sich leider nicht von selbst, de Zoet.»
     
    Unico Vorstenbosch blickt auf das Thermometer, das neben dem Gemälde Wilhelm des Schweigers hängt. Sein Gesicht ist von der Hitze gerötet und verschwitzt. «Ich lasse mir von Twomey einen dieser grandiosen Fächerwedel bauen, die die Engländer aus Indien mitgebracht haben ... ach, mir fällt das Wort nicht ein ...»
    «Meinen Sie vielleicht einen Punkah?»
    «Ganz recht. Ein Punkah, und dazu ein Punkah Wallah, der die Kordel zieht ...»
    Cupido bringt ein Tablett mit einer Teekanne aus Jade und Silber.
    «Dolmetscher Kobayashi ist für zehn Uhr bestellt», sagt Vorstenbosch, «zusammen mit einer Schar von Beamten, die mir für unsere lange aufgeschobene Audienz beim Statthalter eine Einweisung in die Hofetikette erteilen sollen. Das alte Porzellan soll ihnen zeigen, dass dieser Faktoreileiter ein Mann der guten Sitten ist: In Ostasien dreht sich alles um Zeichen. Helfen Sie mir auf die Sprünge - für welchen Blaublütigen wurde das Service gefertigt, diesem Juden in Macao zufolge?»
    «Er behauptete, es stamme aus der Aussteuer der Gattin des letzten Ming-Kaisers.»
    «Der letzte Ming-Kaiser: ganz recht. Ach, und ich wünsche, dass Sie später hinzukommen.»
    «Zu dem Termin mit Dolmetscher Kobayashi und den

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