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Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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Shōgun.›»
    «Statthalter Shiroyama», versichert Vorstenbosch dem Dolmetscher, «wird so respektvoll behandelt, wie er es verdient.»
    Kobayashi wirkt nicht beruhigt.
     
    Der Saal der Sechzig Matten ist ein luftiger, schattiger Raum. Fünfzig bis sechzig schwitzende, sich Luft zufächelnde Beamte - alles bedeutend aussehende Samurai - sitzen in einem akkuraten Rechteck. Statthalter Shiroyama ist daran zu erkennen, dass er in der Mitte auf einer Estrade sitzt. Das Gesicht des Fünfzigjährigen ist von seinem hohen Amt zerfurcht. An der Südseite fällt aus einem sonnigen Garten mit weißen Kieseln, gestutzten Kiefern und moosbewachsenen Steinen Licht in den Saal. Vor den Fensteröffnungen an der West- und Ostseite schwingen Vorhänge. Ein stiernackiger Türhüter meldet: «Oranda Kapitan!» und führt die Niederländer in das Rechteck der Höflinge zu drei karmesinroten Kissen. Kammerherr Tomine ergreift das Wort, und Kobayashi übersetzt: «Die Niederländer sollen jetzt Respekt erweisen.»
    Jacob kniet sich auf sein Kissen, legt das Portefeuille ab und verbeugt sich. Er spürt, dass van Cleef zu seiner Rechten dasselbe tut, aber als er sich wieder aufrichtet, sieht er, dass Vorstenbosch stehen geblieben ist.
    «Wo», der Faktor wendet sich an Kobayashi, «ist mein Stuhl?»
    Die Frage sorgt für verhaltene Aufregung, genau wie Vorstenbosch es bezweckt hat.
    Der Kammerherr richtet eine knappe Frage an Dolmetscher Kobayashi.
    «In Japan», erklärt Kobayashi dem Faktor errötend, «es ist keine Unehre, auf Fußboden zu sitzen.»
    «Sehr lobenswert, Herr Kobayashi, aber auf einem Stuhl sitze ich bequemer.»
    Kobayashi und Ogawa müssen einen erzürnten Kammerherrn besänftigen und einen sturen Faktor versöhnlich stimmen.
    «Bitte, Herr Vorstenbosch», sagt Ogawa, «wir in Japan haben keine Stühle.»
    «Vielleicht ließe sich für hohen Besuch etwas improvisieren. Sie!»
    Der Beamte, auf den Vorstenboschs Finger zeigt, schnappt nach Luft und fasst sich an die Nasenspitze.
    «Ja, Sie: Bringen Sie zehn Kissen. Zehn. Verstehen Sie ‹zehn›?»
    Der Beamte blickt bestürzt zwischen Kobayashi und Ogawa hin und her.
    «Passen Sie auf!» Vorstenbosch schwenkt das Kissen, lässt es fallen und hält zehn Finger hoch. «Bringen Sie zehn Kissen! Kobayashi, erklären Sie der Kaulquappe, was ich wünsche.»
    Kammerherr Tomine verlangt nach Antworten. Kobayashi erklärt, warum der Faktor sich weigert, auf den Knien zu sitzen, während Vorstenbosch mit herablassender Milde lächelt.
    Der Saal der Sechzig Matten wartet mit gebanntem Schweigen auf die Reaktion des Statthalters.
    Shiroyama und Vorstenbosch sehen sich einen langen Augenblick an.
    Dann lächelt der Statthalter das nachsichtige Lächeln des Siegers und nickt. Der Kammerherr klatscht in die Hände: Zwei Diener holen Kissen herbei und türmen sie aufeinander, bis Vorstenbosch zufrieden strahlt. «Sehen Sie?», sagt der niederländische Faktor zu seinen Landsleuten. «Entschlossenheit wird belohnt. Faktor Hemmij und Daniel Snitker haben mit ihrer Katzbuckelei unser Ansehen geschmälert, und nun ist es an mir», er schlägt auf den sperrigen Kissenstapel, «es wiederherzustellen.»
    Statthalter Shiroyama spricht mit Kobayashi.
    «Statthalter fragt», übersetzt der Dolmetscher, «Sie jetzt bequem?»
    «Danken Sie Ihrem Herrn. Jetzt sitzen wir einander ebenbürtig gegenüber.»
    Jacob vermutet, dass Kobayashi «ebenbürtig» unterschlägt.
    Statthalter Shiroyama nickt und hält eine längere Rede. «Er sagt», beginnt Kobayashi, «‹Glückwunsch› an neuen Faktoreileiter und ‹Willkommen in Nagasaki› und «Willkommen erneut in Residenz an Stellvertretern» Jacob als unbedeutender Sekretär bleibt unerwähnt. «Statthalter hofft, Reise nicht zu ... ‹strapaziös› und hofft, Sonne nicht zu stark für schwache niederländische Haut.»
    «Danken Sie unserem Gastgeber für seine Besorgnis», erwidert Vorstenbosch, «aber Sie können ihm versichern, dass der Sommer in Nagasaki gar nichts ist im Vergleich zum Juli in Batavia.»
    Shiroyama lauscht der Übersetzung und nickt dabei, als hätte sich ein lange gehegter Verdacht endlich bestätigt.
    «Fragen Sie Ihren Herrn», sagt Vorstenbosch gebieterisch, «wie ihm der Kaffee geschmeckt hat, den ich ihm geschenkt habe.»
    Kobayashi übersetzt, und Jacob bemerkt, dass die Höflinge einander schelmische Blicke zuwerfen. Der Statthalter denkt über seine Antwort nach. «Statthalter sagt», übersetzt Ogawa, «‹Kaffee

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