Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
Vom Netzwerk:
Welt› - ja?»
    «Mauersteine sind hier nicht sehr üblich. ‹Vernageln›?»
    «Ganz wie Sie meinen. ‹Dieser Verlust wird den Shōgun blind gegen die neuen Entwicklungen in Europa machen, sehr zur Freude der Russen und aller anderen Feinde, die mit besitzgierigen Augen auf Ihr Reich blicken. Ihre noch ungeborenen Nachkommen bitten Sie, dass Sie in dieser Stunde die richtige Entscheidung treffen mögen, und ebenso›, neue Zeile, ‹Ihr ergebener Verbündeter und so weiter und so weiter, P. G. van Overstraten, Generalgouverneur von Ostindien, Ritter des Ordens vom Niederländischen Löwen›, und was Ihnen sonst noch an Ehrentiteln einfällt, de Zoet. Zwei saubere Abschriften bis Mittag, rechtzeitig für Kobayashi: Setzen Sie unter beide Overstratens Unterschrift - so echt, wie Sie es vermögen - und versiegeln Sie einen hiermit.» Vorstenbosch gibt ihm einen Siegelring mit dem «VOC» der niederländischen Vereenigde Oostindische Compagnie.
    Jacob ist erschrocken über die letzten beiden Anweisungen. «Ich soll die Briefe unterzeichnen und versiegeln?»
    «Hier haben Sie ...», Vorstenbosch zieht ein Muster hervor, «... van Overstratens Unterschrift.»
    «Die Unterschrift des Generalgouverneurs zu fälschen, wäre ...» Jacob ahnt, dass es richtig heißen müsste: «ein Kapitalverbrechen».
    «Machen Sie nicht so ein konspiratives Gesicht, de Zoet! Ich würde ja selbst unterschreiben, aber unser Plan verlangt die meisterhaften Schnörkel eines Overstraten und nicht die unleserliche Klaue eines Linkshänders. Denken Sie daran, wie dankbar der Generalgouverneur sein wird, wenn wir mit einer verdreifachten Kupferausfuhr nach Batavia zurückkehren: Mein Anspruch auf einen Sitz im Rat wird sich nicht länger zurückweisen lassen. Warum sollte ich dann auf meinen treuen Sekretär verzichten? Wenn Sie natürlich ... Skrupel oder fehlender Mut daran hindern, meiner Bitte nachzukommen, kann ich ebenso gut Herrn Fischer holen lassen.»
    Tu es jetzt, denkt Jacob, und mache dir später Sorgen. «Ich werde unterschreiben.»
    «Dann gibt es keine Zeit mehr zu verlieren: Kobayashi wird in ...», der Faktor blickt auf die Uhr, «... vierzig Minuten hier sein. Wir wollen doch, dass der Siegellack auf dem fertigen Brief bis dahin getrocknet ist, nicht wahr?»

    Der Abgreifer an der Landpforte beendet seine Arbeit. Jacob steigt in seine Sänfte. Peter Fischer steht blinzelnd in der sengenden Nachmittagssonne. «Für ein bis zwei Stunden gehört Dejima Ihnen, Herr Fischer», sagt Vorstenbosch aus der Faktorensänfte. «Geben Sie es mir in seinem gegenwärtigen Zustand zurück.»
    «Selbstverständlich.» Der Preuße setzt eine wichtige Miene auf. «Selbstverständlich.»
    Die Grimasse weicht einem finsteren Blick, als Jacobs Sänfte vorbeigetragen wird.
    Die kleine Kolonne passiert die Landpforte und überquert die Hollandbrücke.
    Es ist Ebbe: Jacob sieht einen toten Hund im Schlick ...
    ... und dann schwebt er einen Meter über verbotenem japanischem Boden.
    Sie gelangen zu einem großen Platz aus Sand und Kies, leer bis auf einige wenige Soldaten. Der Platz, weiß Jacob von van Cleef, heißt Edo-Platz und soll die selbstbewusste Bevölkerung Nagasakis daran erinnern, wo die wahre Macht liegt. Auf der einen Seite befindet sich der Burgsitz für den Shōgun: aufgeschichtete Steine, hohe Mauern, Stufen. Durch eine Reihe von Toren taucht die Kolonne hinab in eine beschattete Straße. Händler rufen, Bettler bitten um Almosen, Kesselflicker scheppern mit Töpfen, zehntausend Holzschuhe klappern über Stein. Japanische Wachleute befehlen den Bürgern barsch, Platz zu machen. Jacob versucht, jeden noch so flüchtigen Eindruck für die Briefe an Anna, seine Schwester Geertje und seinen Onkel festzuhalten. Er riecht gedämpften Reis, Kloake, Räucherwerk, Zitronen, Sägespäne, Hefe und faulen Seetang. Durch das Fenstergitter sieht er hutzlige alte Frauen, pockennarbige Mönche, unverheiratete Mädchen mit schwarzen Zähnen. Hätte ich doch ein Skizzenbuch , denkt der Fremdländer, und drei Tage an Land, um es zu füllen. Auf einer Lehmmauer machen Kinder mit Daumen und Zeigefinger Eulen nach und rufen Oranda-me, Oranda-me, Oranda-me: Jacob begreift, dass sie «runde» europäische Augen meinen, und er erinnert sich an London, als eine Horde Gassenkinder einem Chinesen hinterherlief. Die Kinder zogen ihre Augen zu Schlitzen und sangen: «Chinese, Siamese, Japonese, alles Käse.»
    Vor einem kleinen Schrein, dessen Tor die Form eines π

Weitere Kostenlose Bücher