Die tausend Herbste des Jacob de Zoet
schmeckt wie kein anderer.›»
«Sagen Sie ihm, unsere Plantagen auf Java können genug liefern, um sogar Japans nimmersatten Bauch zu befriedigen. Sagen Sie ihm, künftige Generationen werden den Namen ‹Shiroyama› als den Namen des Mannes preisen, der dieses Wundergetränk für ihr Vaterland entdeckt hat.»
Ogawa liefert eine passende Übersetzung, die auf sanften Widerspruch stößt.
«Der Statthalter sagt», erklärt Kobayashi, «‹Japan hat kein Bedürfnis für Kaffee.›»
«Unsinn! Auch in Europa war der Kaffee früher unbekannt, und heute steht in unseren großen Städten in jeder Straße ein Kaffeehaus - oder zehn! Mit Kaffee lässt sich ein Vermögen verdienen.»
Bevor Ogawa übersetzen kann, wechselt Shiroyama demonstrativ das Thema.
«Der Statthalter bekundet Anteilnahme», sagt Kobayashi, «für Untergang von Octavia auf Heimreise vergangenen Winter.»
«Seltsam», sagt Vorstenbosch, «dass unser Gespräch sich den Mühsalen zuwendet, die die ehrenwerte Kompanie erdulden musste in ihrem Streben, Reichtum nach Nagasaki zu bringen. Sagen Sie ihm das.»
Ogawa sieht Schwierigkeiten nahen, die er nicht verhindern kann, aber er muss übersetzen.
Statthalter Shiroyama setzt eine arglose Miene auf.
«Ich überbringe ein dringliches Bulletin des Generalgouverneurs zu ebendiesem Thema.»
Ogawa wendet sich hilfesuchend an Jacob: «Was ist Bulletin?»
«Ein Brief», antwortet Jacob leise. «Eine amtliche Mitteilung.»
Ogawa übersetzt den Satz. Shiroyama macht ein Handzeichen: «Geben.»
Vorstenbosch nickt seinem Sekretär von seinem Kissenthron aus zu.
Jacob löst die Bänder seines Portefeuilles, zieht den gefälschten Brief Seiner Exzellenz P. G. van Overstraten heraus und überreicht ihn mit beiden Händen dem Kammerherrn.
Kammerherr Tomine legt den Brief seinem ernst blickenden Herrn vor.
Der Saal der Sechzig Matten sieht mit unverhohlener Neugier zu.
«Es wäre schicklich, Herr Kobayashi», sagt Vorstenbosch, «die ehrenwerten Herren - und ebenso den Statthalter - darauf hinzuweisen, dass unser Generalgouverneur ein Ultimatum sendet.»
Kobayashi blickt finster zu Ogawa und überlässt ihm das Nachfragen: «Was ist ‹Ultim...›?»
«Ultimatum», sagt van Cleef. «Eine Drohung, eine Forderung, eine ernsthafte Warnung.»
«Sehr schlechte Zeit», Kobayashi schüttelt den Kopf, «für ernsthafte Warnung.»
«Aber sollte Statthalter Shiroyama nicht schnellstmöglich erfahren», in Faktor Vorstenboschs Besorgnis schwingt leise Bosheit mit, «dass Dejima nach der laufenden Handelszeit verwaist sein wird, sofern uns Edo nicht zwanzigtausend Pikol gewährt?»
«Verwaist», wiederholt van Cleef, «bedeutet leer, verlassen.»
Den beiden Dolmetschern weicht das Blut aus den Gesichtern.
Jacob windet sich innerlich vor Mitgefühl für Ogawa.
«Bitte, Herr Faktor», Ogawa schluckt, «nicht solche Nachrichten jetzt ...»
Kammerherr Tomine verliert die Geduld und verlangt nach einer Übersetzung.
«Es ist besser, Seine Exzellenz nicht warten zu lassen», sagt Vorstenbosch zu Kobayashi.
Mit stockender Stimme übermittelt Kobayashi die erschreckende Neuigkeit.
Von allen Seiten prasseln Fragen auf die beiden Dolmetscher ein, doch Antworten zu geben ist zwecklos, denn niemand würde sie in dem lauten Durcheinander hören. Währenddessen bemerkt Jacob drei Plätze links von Statthalter Shiroyama einen Mann. Sein Gesicht hat etwas Beunruhigendes, ohne dass der Sekretär sagen könnte, warum; auch sein Alter kann Jacob nicht einschätzen. Der kahlgeschorene Kopf und das hellblaue Gewand deuten darauf hin, dass er Mönch oder sogar Priester ist. Seine Lippen sind schmal, die Wangenknochen hoch, die Nase hakenförmig, und in den Augen blitzt ein scharfer Verstand. Jacob kann seinem Blick nicht entfliehen, so wie ein Buch sich nicht dem wissbegierigen Blick seines Lesers entziehen kann. Der stumme Beobachter dreht den Kopf wie ein Jagdhund, der auf seine Beute lauscht.
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V
Speicher Doorn auf Dejima
Nach dem Mittagessen am 1. August 1 799
Das Räderwerk der Zeit schwillt in der drückenden Hitze an und verbiegt sich. Jacob kann beinahe hören, wie der Zucker in den Kisten knisternd zu Klumpen schmilzt. Wenn er am Auktionstag nicht zu einem Spottpreis an die Gewürzhändler verkauft wird, muss er auf die Shenandoah zurückverladen werden und landet als unrentables Gut in den Speichern Batavias. Der Sekretär trinkt seinen grünen Tee aus. Die letzten Tropfen sind so bitter, dass er das
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