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Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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Ogawa. Herr Ogawa dieses Jahr schöne Frau heiratet.» An seinem Ellbogen klebt Rhabarbermus. «Jede Nacht» - er tut, als würde er auf einem Pferd reiten - «drei, vier, fünf Ritte!»
    Raues Gelächter ertönt, aber Ogawas Lächeln ist matt.
    «Sie verlangen von einem ausgehungerten Mann», sagt Gerritszoon, «dass er auf einen Vielfraß trinkt.»
    «Herr Gerritszoon will Mädchen?», fragt Hori voller Eifer. «Mein Diener holen. Sagen, was Sie wollen. Dick? Eng? Tiger? Kleine Katze? Sanfte Schwester?»
    «Eine sanfte Schwester hätten wir alle gerne», nörgelt Arie Grote, «aber wer kann die bezahlen, hä? Für ein paar Purzelbäume mit einer Dirne aus Nagasaki kann sich ein Mann in Siam ein ganzes Bordell kaufen. Könnte die Kompanie uns hierzulande nicht einen kleinen Zuschuss gewähren, Herr Vorstenbosch? Denken Sie doch an den armen Oost: Bei seinem offiziellen Gehalt würde ihn ein bisschen ... weiblicher Trost ein ganzes Jahresgehalt kosten.»
    «Enthaltsamkeit», erwidert Vorstenbosch, «hat noch niemandem geschadet.»
    «Aber zu welchen Lastern wird ein heißblütiger Niederländer gedrängt, wenn er nicht die Möglichkeit hat, dem, äh, Verlangen der Natur nachzugeben?»
    «Sie vermissen Ehefrau, Herr Grote», fragt Hori, «zu Hause in Holland?»
    «‹Südlich von Gibraltar›», zitiert Kapitän Lacy, «‹sind alle Männer Junggesellen.›»
    «Nagasaki», sagt Fischer, «liegt eindeutig nördlich von Gibraltar.»
    «Ich wusste gar nicht», sagt Vorstenbosch, «dass Sie ein verheirateter Mann sind, Grote.»
    «Er hat es nicht gern», erklärt Ouwehand, «wenn man dieses Thema zur Sprache bringt, Herr Vorstenbosch.»
    «Eine liederliche westfriesländische Kuh, Chef.» Der Koch leckt sich über die gelben Schneidezähne. «Wenn ich an sie denke, Herr Hori, dann nur, um dafür zu beten, dass der Ottomane in Westfriesland einfällt und das Luder mit sich fortschleppt.»
    «Wenn Frau nicht mögen», fragt Dolmetscher Yonekizu, «warum nicht scheiden?»
    «Einfacher gesagt als getan», Grote seufzt, «in den sogenannten Christenländern.»
    «Warum», Hori hustet Tabakrauch, «dann überhaupt heiraten?»
    «Ach, das ist eine lange, traurige Geschichte, Herr Hori, die sicher niemanden interessiert ...»
    «Als Herr Grote das letzte Mal zu Hause war», Ouwehand tut ihm den Gefallen, «warb er um eine vielversprechende junge Erbin, die in einem Stadthaus in der Roomolenstraat wohnte. Sie erzählte ihm, dass ihr kränklicher, erbenloser Papa sich nichts sehnlicher wünsche, als seinen Milchbauernhof in den Händen eines ehrenwerten Schwiegersohns zu wissen, doch überall, so klagte sie, treffe man nur auf diebische Halunken, die sich als begehrte Junggesellen ausgäben. Herr Grote pflichtete ihr bei, dass es im Meer der Liebeswerbung vor Haien nur so wimmele, und sprach von den Vorurteilen, die ein junger Emporkömmling erdulden müsse: als sei das jährliche Vermögen, das seine Plantagen auf Sumatra einbrächten, weniger wert als altes Geld. Innerhalb einer Woche waren die Turteltauben verheiratet. Als der Gastwirt ihnen am Tag nach der Vermählung die Rechnung vorlegte, sagte der eine zur anderen: «Bezahl du, Musik meines Herzens.» Aber zu beider Entsetzen war keiner der beiden dazu in der Lage, denn sowohl die Braut als auch der Bräutigam hatten ihre letzten Kröten dafür ausgegeben, dem anderen den Hof zu machen! Herrn Grotes Plantagen auf Sumatra lösten sich in Luft auf, das Haus in der Roomolenstraat entpuppte sich als Requisite eines Mitverschwörers, und der kränkliche Vater war in Wirklichkeit ein Bierträger von robuster Gesundheit, nicht ohne Nach-, sondern ohne Einkommen, und ...»
    Lacy stößt ein lautes Rülpsen aus. «Pardon. Das war das Russische Ei.»
    «Stellvertreter van Cleef?» Goto ist beunruhigt. «Fallen Ottomanen in Holland ein? Diese Nachricht ist nicht in neuestem Fusetsuki-Bericht ...»
    «Herr Grote», van Cleef klopft sich die Serviette ab, «hat im Scherz gesprochen.»
    «Im Scherz?» Der ernste junge Mann runzelt die Stirn und blinzelt. «Im Scherz ...»
    Cupido und Philander spielen eine träge Weise von Boccherini.
    «Wenn man sich vorstellt», sinniert Vorstenbosch, «dass in diesen Räumen für immer Stille herrscht, wenn Edo das Kupferquantum nicht erhöht, dann verlässt einen der Mut.»
    Yonekizu und Hori verziehen das Gesicht; Goto und Ogawa starren ausdruckslos ins Leere.
    Die meisten Niederländer haben sich bei Jacob erkundigt, ob es sich bei dem

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