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Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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macht nichts, Fräulein. Sie haben Ihr Bein wieder! Nun ja, nicht Ihr Bein ...»
    In der Knochengasse ertönt ein Geschrei aus Fragen und Antworten.
    Jacob und sein Gast treten einige Schritte auseinander.
    «Verzeihen Sie, Fräulein, aber ... sind Sie die Zofe einer Kurtisane?»
    «Zofu Kūchi-zanzu?» Sie ist verblüfft. «Was ist das?»
    «Die ... die ...» Jacob sucht nach einem Ersatzwort, «... Gehilfin einer Dirne.»
    Sie legt das Bein auf ein Stück Stoff. «Warum Birne braucht Gehilfin?»
    Ein Wachmann erscheint in der Tür. Er sieht den Niederländer, die junge Frau und das vermisste Bein, grinst und ruft etwas in die Knochengasse. Kurz darauf kommen weitere Wachen, Inspektoren und Beamte. Es folgt Stellvertreter van Cleef, dann schreitet Dejimas Wachtmeister Kosugi herbei. Nach ihm kommen Eelattu, Marinus’ Assistent, in einem ähnlich blutverschmierten Kittel, wie ihn die Frau mit dem Brandmal trägt, Arie Grote, ein japanischer Kaufmann mit flinkem Blick, mehrere Gelehrte und zum Schluss Con Twomey mit seinem Zollstock, der Jacob auf Englisch fragt: «Wonach stinken Sie nur so fürchterlich, Mann?»
    Jacob fällt das halb rekonstruierte Hauptbuch ein, das offen auf dem Tisch liegt. Er lässt es eilig verschwinden, als vier junge Männer den Speicher betreten. Alle sind kahl geschoren wie Medizinstudenten und tragen dieselben Kittel wie die junge Frau, die sogleich mit Fragen bestürmt wird. Der Sekretär vermutet, dass es sich um Dr. Marinus’ «Famuli» handelt. Die Frau fängt an, auf Japanisch die Ereignisse zu schildern. Sie zeigt auf die Kisten, die William Pitt erklommen hat, und dann auf Jacob, der errötet, als sich sämtliche Blicke im Raum auf ihn richten. Ihre Stimme klingt ruhig und beherrscht. Der Sekretär wartet darauf, dass er für sein Bad in Affenpisse stürmisches Gelächter erntet, aber offenbar lässt sie diese Episode aus, und die Studenten bedenken ihren Bericht mit anerkennendem Nicken. Twomey verschwindet mit dem Bein des Esten, um eine passende Holzprothese anzufertigen.
    «Ich habe dich gesehen», van Cleef hält einen der Wachleute am Ärmel fest, «du verdammter Dieb!»
    Leuchtend rote Muskatnüsse prasseln auf den Boden.
    «Baert! Fischer! Führen Sie die elenden Diebe ab!» Der Vize macht eine Handbewegung Richtung Tür und brüllt: «Raus! Raus! Grote, durchsuchen Sie jeden, der irgendwie verdächtig wirkt - genauso, wie sie es mit uns machen. De Zoet, geben Sie acht auf unsere Ware, sonst wächst ihr Beine, und sie läuft davon.»
    Jacob steigt auf eine Kiste, um die Tür im Blick zu haben.
    Er sieht, dass die Zofe mit dem Brandmal einen gebrechlichen Gelehrten hinaus in die sonnige Gasse begleitet.
    Zu seiner Überraschung dreht sie sich um und winkt ihm zu.
    Jacob freut sich über die heimliche Geste und winkt zurück.
    Nein, denkt er, sie schützt nur ihre Augen vorm Sonnenlicht ...
    Hanzaburo betritt gähnend das Lagerhaus.
    Du hast sie nicht einmal nach ihrem Namen gefragt , denkt Jacob. Jacob de Holzkopp.
    Er bemerkt, dass sie ihren Fächer auf der Zuckerkiste vergessen hat.
    Van Cleef geht als Letzter, zornesrot. Er drängt sich an Hanzaburo vorbei, der mit der Teekanne in der Hand in der Tür steht. Hanzaburo fragt: «Etwas passiert?»

    Um Mitternacht ist das Esszimmer des Faktors mit Pfeifenrauch vernebelt. Die Diener Cupido und Philander spielen auf Gambe und Querflöte Äpfel aus Delft.
    «Richtig, Herr Goto, Präsident Adams ist unser ‹Shōgun›», Kapitän Lacy schnippt sich Pastetenkrümel aus dem Schnurrbart, «aber das amerikanische Volk hat ihn gewählt. Das ist das Wesen der Demokratie.»
    Die fünf Dolmetscher tauschen zaghafte Blicke, die Jacob inzwischen vertraut sind.
    «Große Fürsten und so weiter», erkundigt sich Ogawa Uzaemon, « wählen Präsident?»
    «Nein, Fürsten nicht.» Lacy pult sich in den Zähnen. «Bürger. Wir alle.»
    «Sogar ...», Dolmetscher Goto richtet den Blick auf Con Twomey, «... Zimmermänner?»
    «Zimmermänner, Bäcker», Lacy rülpst, «Kerzendreher.»
    «Dürfen Washingtons und Jeffersons Sklaven auch wählen?», fragt Marinus.
    «Nein, Herr Doktor.» Lacy lächelt. «Und ihre Pferde, Ochsen, Bienen und Frauen auch nicht.»
    Aber welche junge Geisha , überlegt Jacob, würde mit einem Affen um ein Bein kämpfen?
    «Was ist», fragt Goto, «wenn Leute schlechte Wahl treffen, und Präsident ist schlechter Mann?»
    «Dann wird er bei der nächsten Wahl - frühestens nach vier Jahren - abgewählt.»
    «Alter

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