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Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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Schlüssel von seinem Hals und schließt die Seemannskiste auf.
    Es kann durchaus - Freundschaft zwischen den Geschlechtern geben : so wie zwischen meiner Schwester und mir.
    Eine unternehmungslustige Fliege schwirrt über dem Nachttopf mit seinem Urin.
    Er greift tief in die Kiste und findet in der Tiefe den gesuchten Folianten. Er löst die Bänder und betrachtet die erste Seite Musik. Die Noten der strahlenden Sonaten hängen wie Trauben an den Notenlinien. Jacobs Fähigkeit, vom Blatt zu lesen, beschränkt sich auf das Gesangbuch der Reformierten Kirche.
    Vielleicht , denkt er, ist heute der Tag, um eine Brücke zu Dr. Marinus zu bauen ...

    Jacob macht einen kurzen Spaziergang über Dejima, wo nur kurze Spaziergänge möglich sind, um an seinem Plan zu feilen und seinem Text Schliff zu verleihen. Möwen und Krähen zanken sich auf dem First des Gartenhauses.
    Im Garten sind die cremeweißen Rosen und roten Lilien schon am Verblühen.
    An der Landpforte wird Brot angeliefert.
    Auf dem Fahnenplatz sitzt Peter Fischer auf der Treppe zum Wachtturm. «Verlieren Sie morgens eine Stunde, Sekretär de Zoet», ruft ihm der Preuße zu, «und Sie finden sie den ganzen Tag nicht wieder.»
    In einem der Fenster von van Cleefs Haus kämmt sich die neueste «Ehefrau» des Vize das Haar.
    Sie lächelt Jacob zu; Melchior van Cleef, die Brust behaart wie die eines Bären, erscheint neben ihr.
    «‹Du sollst deine Feder›», ruft er, «‹nicht in eines anderen Mannes Tintenfass tauchen.›»
    Der Vize schiebt das Shoji-Fenster zu, bevor Jacob seine Unschuld beteuern kann.
    Vor der Dolmetscherzunft hocken Sänftenträger im Schatten. Sie starren dem rothaarigen Ausländer hinterher.
    William Pitt sitzt auf der Strandmauer und blickt in die walrippenförmigen Wolken.
    Als Jacob zur Küche kommt, sagt Arie Grote: «Mit dem Bambushut sehen Sie aus wie ein Chinese, Herr de Z. Haben Sie drüber nachgedacht ...»
    «Nein», sagt der Sekretär und geht weiter.
    Wachtmeister Kosugi nickt Jacob von seinem Häuschen an der Uferstraße aus zu.
    Die Sklaven Ignatius und Weh streiten sich in hitzigem Malaiisch, während sie die Ziegen melken.
    Ivo Oost und Wybo Gerritszoon werfen sich schweigend einen Ball zu.
    «Wau-wau», kläfft einer der beiden, als Jacob vorbeigeht: Er beschließt, nicht darauf zu hören.
    Con Twomey und Ponke Ouwehand rauchen unter den Kiefern ihre Pfeifen.
    «In Miyako», schnaubt Ouwehand, «ist irgendein Adliger gestorben, und Musik und Gehämmer sind für zwei Tage verboten. Es wird kaum gearbeitet, nicht nur hier, sondern im ganzen Kaiserreich. Van Cleef behauptet, das Ganze sei nur eine List, um den Wiederaufbau von Speicher Lelie zu verzögern, damit wir umso dringender verkaufen müssen ...»
    Ich feile nicht an meinem Plan , gesteht sich Jacob ein. Ich verliere den Mut.
     
    Im Behandlungszimmer liegt Dr. Marinus mit geschlossenen Augen auf dem Operationstisch. Er summt leise eine barocke Melodie.
    Mit weiblichem Zartgefühl bestreicht Eelattu die Wangen seines Herrn mit Duftöl.
    Dampf steigt aus einer Wasserschüssel; das Rasiermesser blitzt im Sonnenlicht.
    Auf dem Fußboden pickt ein Tukan Bohnen aus einem Zinnteller.
    Pflaumen türmen sich in einer Terrakottaschale, weiß bereiftes Indigo. Eelattu flüstert dem Arzt etwas auf Malaiisch zu, und Marinus öffnet verstimmt ein Auge. «Was?»
    «Ich würde Sie gerne in ... einer gewissen Angelegenheit konsultieren.»
    «Fahre fort mit der Rasur, Eelattu. Dann konsultieren Sie mich mal, Domburger.»
    «Ein Gespräch unter vier Augen wäre mir lieber, Herr Doktor, es ...»
    «Eelattu ist ‹unter vier Augen›. Nur ich beherrsche in unserem kleinen Shangri-La die Anatomie und Pathologie besser als er. Oder gilt Ihr Misstrauen etwa dem Tukan?»
    «Nun, dann ...» Jacob begreift, dass er auf die Diskretion von Arzt und Assistent vertrauen muss. «Ich wurde gerne etwas über einen Ihrer Studenten erfahren ...»
    «Was haben Sie» - das zweite Auge öffnet sich - «denn mit Fräulein Aibagawa zu schaffen?»
    «Gar nichts: Ich ... ich möchte mich nur mit ihr unterhalten ...»
    «Und warum unterhalten Sie sich dann mit mir ?»
    «... unterhalten, ohne dass wir von einem Haufen Spitzel beobachtet werden.»
    «Ah. A ha. Sie wollen, dass ich ein Stelldichein für Sie arrangiere?»
    «Dieses Wort riecht nach Hinterlist, Herr Doktor, und das ist keineswegs ...»
    «Die Antwort lautet, ‹Kommt nicht in Frage›. Erstens: Fräulein Aibagawa ist keine Eva, die Sie mieten

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