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Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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Wasser?»
    «Ja, bitte.» Jacob trinkt. «Und Sie erzählen mir das, weil ...»
    «Purer Eigennutz: Herr Vorstenbosch ist für fünf volle Jahre hier, nicht wahr?»
    «Ja», lügt Jacob, weil er muss. «Ich werde meinen Vertrag mit ihm erfüllen.»
    Eine dicke Fliege fliegt in trägen Ellipsen durch Licht und Schatten.
    «Wenn Fischer erkennt, dass er das Ehebett in Zukunft nicht mit van Cleef, sondern mit Vorstenbosch teilen muss, stößt er mir ein Messer in den Rücken.»
    «Und was für ein Messer», Jacob sieht die nächste Frage schon voraus, «wäre das?»
    «Versprechen Sie mir», Ouwehand kratzt sich am Nacken, «dass ich nicht gesnitkert werde?»
    «Ich verspreche», die Macht hat einen üblen Beigeschmack, «Herrn Vorstenbosch darauf hinzuweisen, dass Ponke Ouwehand der Wahrheitsfindung nicht hinderlich, sondern dienlich ist.»
    Ouwehand denkt über Jacobs Worte nach. «Im Verzeichnis der Privatverkäufe des letzten Jahres steht, dass ich fünfzig Ballen indischen Chintz eingeführt habe. In den privaten Verkaufskonten der Japaner ist hingegen verzeichnet, dass ich einhundertfünfzig Ballen verkauft habe. Die Hälfte des Überschusses hat Kapitän Hofstra von der gesunkenen Octavia eingestrichen, obwohl ich das natürlich nicht beweisen kann - und er, Gott sei seiner Seele gnädig, kann es auch nicht.»
    «Der Wahrheitsfindung dienlich», die dicke Fliege setzt sich auf Jacobs Tintenlöscher, «Herr Ouwehand.»

    Dr. Marinus’ Studenten erscheinen um Punkt drei.
    Die Tür des Krankenzimmers steht halb offen, aber Jacob kann nicht ins Behandlungszimmer sehen.
    Vier Männerstimmen rufen im Chor: «Guten Tag, Dr. Marinus.»
    «Heute, Famuli», sagt Marinus, «führen wir einen praktischen Versuch durch. Während Eelattu und ich alles vorbereiten, wird jeder von Ihnen einen anderen niederländischen Text ins Japanische übersetzen. Mein Freund Dr. Maeno hat sich bereit erklärt, Ihre Arbeiten noch in dieser Woche zu begutachten. Die Abschnitte richten sich nach Ihren Interessen: Herr Muramoto, unser führender Gliedersetzer, bekommt Albinus’ Tabulae sceleti et musculorum corporis humani. Für Herrn Kajiwaki haben wir einen Abschnitt über den Krebs von Jean-Louis Petit, der seinen Namen dem Petit-Dreieck gegeben hat, welches was ist und sich wo befindet?»
    «Muskelloch in Rücken, Herr Doktor.»
    «Herr Yano, Sie beschäftigen sich mit Dr. Olof Acrel, meinem alten Lehrer in Uppsala: Ich habe seine Abhandlung über Katarakta aus dem Schwedischen übersetzt. Für Herrn Ikematsu haben wir eine Seite aus Lorenz Heisters Chirurgie über Erkrankungen der Haut ... und Fräulein Aibagawa wird sich dem vortrefflichen Dr. Smellie widmen. Es handelt sich dabei um eine äußerst komplizierte Passage. Im Krankenzimmer wartet unser Freiwilliger für die heutige Vorführung - vielleicht kann er Ihnen bei Vokabelfragen zur Seite stehen ...» Marinus’ breiter Schädel erscheint im Türrahmen.
    «Domburger! Ich übergebe Ihnen Fräulein Aibagawa und bitte Sie eindringlich: Orate ne intretis in tentationem.»
    Fräulein Aibagawa erkennt den rothaarigen, grünäugigen Ausländer wieder.
    «Guten Tag», Jacobs Kehle ist wie ausgetrocknet, «Fräulein Aibagawa.»
    «Guten Tag», ihre Stimme ist klar, «Herr ... ‹Dumm-burger›?»
    «‹ Dom -burger› ist ... ein kleiner Scherz des Herrn Doktors. Ich heiße de Zoet.»
    Sie senkt das Stehpult: ein Tablett auf Beinen. «‹Dumm-burger› ist lustiger Scherz?»
    «Dr. Marinus findet, ja: Meine Heimatstadt heißt Domburg.»
    Sie antwortet mit einem zweifelnden «Hmm». «Herr de Zoet ist krank?»
    «Oh, ja - das heißt, ein bisschen. Ich habe Schmerzen im ...» Er klopft sich auf den Bauch.
    «Stuhl wie Wasser?» Die Hebamme übernimmt die Führung. «Übel Geruch?»
    «Nein.» Ihre Offenheit bringt ihn aus der Fassung. «Der Schmerz sitzt in - in der Leber.»
    «Ihre» - sie artikuliert das L mit großer Sorgfalt - «Leber?»
    «Ganz recht: Meine Leber tut weh. Ich hoffe, Fräulein Aibagawa geht es gut?»
    «Ja, mir geht es sehr gut. Ich hoffe, Ihrem Freund Affe geht es gut?»
    «Meinem - ach, William Pitt? Mein Affenfreund ist - nun, er ist nicht mehr.»
    «Verzeihung, dass ich nicht verstehe. Affe ist ... nicht mehr was?»
    «Nicht mehr am Leben. Ich» - Jacob macht eine Geste, als drehe er einem Huhn den Hals um - «habe den Schurken getötet, ihm das Fell gegerbt und einen neuen Tabaksbeutel aus ihm gemacht.»
    Sie reißt vor Entsetzen Mund und Augen auf.
    Hätte Jacob

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