Die tausend Herbste des Jacob de Zoet
verlässt das Krankenhaus und tritt blinzelnd hinaus ins Sonnenlicht.
Er geht die Lange Straße hinunter bis zum Gartenhaus und wartet im Schatten.
Die Gesänge der Zikaden sind an diesem heißen Vormittag archaisch und wild.
Twomey und Ouwehand stehen lachend bei den Kiefern.
Lieber Gott im Himmel , denkt Jacob, ich bin einsam hier.
Eelattu wird ihm nicht hinterhergeschickt. Jacob geht zurück zum Krankenhaus.
«Dann sind wir uns also einig.» Marinus’ Rasur ist beendet. «Aber der Spitzel meiner Famuli muss hinters Licht geführt werden. Meine heutige Vorlesung handelt von der menschlichen Atmung, die ich an einem praktischen Beispiel demonstrieren möchte. Ich werde Vorstenbosch bitten, Sie mir als Studienobjekt auszuleihen.»
Jacob sagt zu seiner eigenen Überraschung: «Abgemacht ...»
«Herzlichen Glückwunsch.» Marinus reibt sich die Hände. «Maestro Scarlatti, wenn ich bitten darf.»
«... die Bezahlung erfolgt erst bei Lieferung.»
«Ach? Mein Wort als Ehrenmann genügt Ihnen nicht?»
«Bis um Viertel vor drei, Herr Doktor.»
Fischer und Ouwehand verstummen, als Jacob die Registratur betritt.
«Wenigstens», sagt der Neuankömmling, «ist es hier drinnen angenehm kühl.»
«Ich», sagt Ouwehand zu Fischer, «finde es aufgeheizt und drückend.»
Fischer schnaubt wie ein Pferd und kehrt zurück an sein Stehpult: das höchste.
Vor dem Regal mit den Hauptbüchern der laufenden Dekade setzt Jacob die Brille auf.
Gestern hat er die Jahrgänge 1793 bis 1798 zurückgestellt: Jetzt fehlen sie.
Jacob blickt zu Ouwehand; Ouwehand deutet mit einem Nicken auf Fischers gebeugten Rücken.
«Wissen Sie vielleicht, wo ich die Jahrgänge dreiundneunzig bis achtundneunzig finde, Herr Fischer?»
«Ich weiß in meinem Kontor immer, wo etwas ist.»
«Wären Sie dann so freundlich, mir zu verraten, wo sich die Jahrgänge dreiundneunzig bis achtundneunzig befinden?»
Fischer dreht sich um. «Wozu brauchen Sie die?»
«Um die Arbeit auszuführen, mit der Faktor Vorstenbosch mich beauftragt hat.»
Ouwehand summt nervös einen Takt aus dem Prinsenlied.
«Die Fehler», knurrt Fischer zähneknirschend, «hier drin» - der Preuße schlägt auf den Stapel Hauptbücher, der vor ihm liegt - «sind nicht, weil wir das Kompanie betrügen» - sein Niederländisch wird fehlerhaft «sondern weil Snitker uns verboten hat, korrekt Buch zu führen.»
Der weitsichtige Jacob nimmt die Brille ab, und Fischers Gesicht wird scharf. «Wer hat Sie beschuldigt, die Kompanie zu betrügen, Herr Fischer?»
«Ich habe diese ständigen Rückschließungen satt - hören Sie? Satt !»
Träge Wellen plätschern leise an die Ufermauer.
«Warum», fragt Fischer, «überlässt der Chef es nicht mich , die Bücher in Ordnung zu bringen?»
«Ist es nicht ganz logisch, einen Revisor einzusetzen, der mit Snitkers System nicht in Verbindung stand?»
«Dann bin ich jetzt auch ein Veruntreuer?» Fischers Nüstern blähen sich. «Sie geben es also zu! Sie intrigieren gegen uns alle! Wagen Sie ja nicht, es zu leugnen!»
«Der Faktor», sagt Jacob, «will nur die Wahrheit wissen.»
«Meine Logik», Fischer droht Jacob mit dem Zeigerfinger, «wird Ihre Lüge vernichten! Ich warne Sie, in Surinam habe ich mehr Schwarze erschossen, als Sekretär de Zoet mit seinem Abakus zählen kann. Gehen Sie gegen mich vor, und ich zerquetsche Sie unter meiner Schuhsohle. Hier», der missmutige Preuße drückt Jacob den Stapel Bücher in die Hand. «Schnüffeln Sie nach ‹Fehlern›. Ich spreche jetzt mit Herrn van Cleef - damit das Kompanie dieses Jahr Gewinn macht!»
Fischer stülpt sich den Hut auf den Kopf und schlägt die Tür hinter sich zu.
«In gewisser Weise ist das ein Kompliment», sagt Ouwehand. «Sie machen ihn nervös.»
Ich will doch nur meine Arbeit machen , denkt Jacob. «Nervös weshalb?»
«Wegen zehn Dutzend Kisten mit der Aufschrift ‹Kumamoto-Kampfer›, die in Sechsundneunzig und Siebenundneunzig verladen wurden.»
«War denn etwas anderes darin als Kumamoto-Kampfer?»
«Nein, aber auf Seite vierzehn in unseren Hauptbüchern sind die Kisten mit einem Gewicht von zwölf Pfund registriert: In den japanischen Verzeichnissen sind sie, wie Ogawa Ihnen bestätigen wird, mit sechsunddreißig Pfund vermerkt.» Ouwehand geht zum Wasserkrug. «In Batavia», fährt er fort, «verkauft ein Zollbeamter namens Johannes van der Broeck den Überschuss: Sein Schwiegervater ist der Vorsitzende des Indienrats. Ein famoser Schwindel.
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