Die tausend Herbste des Jacob de Zoet
können, wenn Sie Ihr Adam juckt, sondern die Tochter eines Ehrenmannes. Zweitens: Selbst wenn Fräulein Aibagawa als Dejima-Ehefrau verfügbar wäre , und das ist sie keineswegs ...»
«All das weiß ich, und bei meiner Ehre, ich bin nicht hier, um ...»
«... und das ist sie keineswegs, würden Spitzel diese Liebschaft binnen einer halben Stunde melden, und man entzöge mir das mühsam erkämpfte Recht, zu lehren und im Umland von Nagasaki zu botanisieren. Also fort mit Ihnen. Entleeren Sie Ihre Hoden comme à la mode : über den Dorfkuppler oder durch die Sünde Onans.»
Der Tukan klopft mit dem Schnabel auf den Bohnenteller und ruft etwas, das klingt wie «Roh, roh!».
«Dr. Marinus», Jacob errötet, «Sie verkennen aufs schmerzlichste meine Absichten: Niemals würde ich ...»
«In Wahrheit gieren Sie gar nicht nach Fräulein Aibagawa. Es ist die ‹asiatische Frau›, die Sie betört. Ja, ja, die geheimnisvollen Augen, die Kamelien im Haar - all das nehmen Sie als Sanftmut wahr. Wie viele hundert liebestrunkene weiße Männer habe ich schon in dieselbe klebrig-süße Falle tappen sehen!»
«Dieses Mal irren Sie sich. Es gibt ...»
«Aber natürlich irre ich mich: Die innige Liebe, die der Domburger für seine Perle aus Fernost empfindet, ist Ausdruck seiner Ritterlichkeit: Seht nur die entstellte Maid, verschmäht von ihrem eigenen Volk! Und seht unseren abendländischen Kavalier, der als Einziger ihre wahre Schönheit erkennt!»
«Guten Tag.» Jacob ist zu verletzt, um Marinus’ Spott länger zu ertragen. «Guten Tag.»
«Sie wollen schon gehen? Ohne mir das Schmiergeld anzubieten, das unter Ihrem Arm klemmt?»
«Das ist kein Schmiergeld», lügt Jacob gewissermaßen, «sondern ein Geschenk aus Batavia. Ich hatte gehofft - eine vergebliche, törichte Hoffnung, wie ich nun erkenne ich könnte mit dem berühmten Dr. Marinus Freundschaft schließen, und so empfahl mir Hendrik Zwaardecroone von der Batavischen Gesellschaft, Ihnen ein paar Noten mitzubringen. Aber jetzt sehe ich, dass ein ungebildeter Sekretär des erhabenen Arztes nicht würdig ist. Ich werde Sie nicht weiter belästigen.»
Marinus mustert Jacob scharf. «Was ist das für ein Geschenk, das der Geber dem Adressaten erst überreicht, wenn er etwas von ihm haben will?»
«Ich wollte Ihnen die Noten schon bei unserer ersten Begegnung überreichen. Sie haben die Falltür über mir zugeschlagen.»
Eelattu taucht das Rasiermesser in Wasser und wischt es an einem Blatt Papier ab.
«Der Jähzorn», räumt der Arzt ein, «überwältigt mich zuweilen.»
«Wer» - Marinus schnipst mit dem Finger nach dem Folianten - «ist der Komponist?»
Jacob liest die Titelseite: «‹Domenico Scarlattis Meisterwerke für Cembalo oder Fortepiano, ausgewählt aus einer erlesenen Handschriftensammlung in Besitz Muzio Clementis ... London, erhältlich bei Mr. Broadwood, Cembalobauer, Great Pulteney Street, Golden Square.›»
Der Hahn von Dejima kräht. Von der Langen Straße dringt das Geräusch stapfender Schritte ins Zimmer.
«Domenico Scarlatti? Na, da hat er ja einen weiten Weg hinter sich.»
Marinus’ Gleichgültigkeit erscheint Jacob zu blasiert, um aufrichtig zu sein.
«Der Rückweg wird ebenso weit sein.» Er dreht sich um. «Ich störe Sie nicht länger.»
«Ach, jetzt warten Sie doch, Domburger: Schmollen steht Ihnen nicht. Fräulein Aibagawa ...»
«... ist keine Kurtisane: Das weiß ich. Ich betrachte sie auch nicht als solche.» Jacob würde Marinus gerne von Anna erzählen, aber er hat nicht genug Vertrauen in den Arzt, um ihm sein Herz zu öffnen.
«Und als was», bohrt Marinus, «betrachten Sie sie dann?»
«Als ...» Jacob sucht nach der passenden Metapher, «... als ein faszinierend eingebundenes Buch, in das ich gerne einen Blick werfen würde. Mehr nicht.»
Ein Windzug bläst die knarrende Tür zum Krankenzimmer auf.
«Dann schlage ich Ihnen folgenden Handel vor: Kommen Sie um drei Uhr wieder, und ich gebe Ihnen zwanzig Minuten, damit Sie im Krankenzimmer die Seiten des Buches studieren können, die Fräulein Aibagawa Ihnen zu zeigen bereit ist - aber die Tür bleibt die ganze Zeit offen, und sollten Sie ihr auch nur einen Hauch weniger Respekt entgegenbringen als Ihrer eigenen Schwester, Domburger, wird meine Rache biblisch sein.»
«Dreißig Sekunden pro Sonate sind wohl kaum ein angemessener Preis.»
«Dann wissen Sie und Ihr Geschenk-für-irgendwann-ein-mal, wo die Tür ist.»
«Ich feilsche nicht. Guten Tag.» Jacob
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