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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Decksjungen mit Kautschukschaufeln an langen Stangen ins Freie und schoben und schöpften das Wasser über Bord. Burman erzählte, er habe einmal gehört, dass Schiffe allein vom
Gewicht des Regenwassers sinken konnten. Aber er nahm an, dass das wohl eher Segelschiffe betraf.
    Überhaupt schien Mister Burman sich in Ostasien besser auszukennen, als es zunächst den Anschein gehabt hatte. So war er sich sicher, dass Bettys Tee nicht etwa von den Piraten an die Briten verkauft werden würde, sondern dass sich zunächst die Teemafia einschalten würde, die den Handel in ganz China und zum Teil auch noch in anderen Staaten kontrolliere.
    »Seltsam nur, dass ich von der Teemafia noch nie etwas gehört habe. Und ich bin immerhin direkt neben einem Teehandelshaus aufgewachsen.« Betty hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, mit Mister Burman herumzustreiten. »Ich glaube Ihnen kein Wort!«
    An dieser Stelle des Gesprächs pflegte Mister Burman zustimmend zu nicken. Die Teemafia sei natürlich geheim, daher ja der Name. Im Übrigen könne keines der sieben Führungsmitglieder und natürlich erst recht nicht ihr mächtiger Boss, der Weiße Tiger, es riskieren, jemals in der Öffentlichkeit in Erscheinung zu treten. Zu grausam seien die Machenschaften der Teemafia. Selbst die gleichermaßen mächtige wie auch für ihre Brutalität bekannte ehemalige Kaiserinkonkubine und jetzige zweite Kaisergattin Cixi würde Taten wie die der Teemafia niemals in ihrem Einflussbereich dulden. Und die Engländer oder gar die Franzosen würden sie selbstverständlich ebenso wenig ungestraft lassen. Die Teemafia lebe daher im weißen Schatten der Städte, wie es hieße. Sie versteckten sich nicht im Dunkel der Nacht, aber niemand kenne ihre Mitglieder. Dennoch kontrollierten sie den gesamten Teehandel Chinas und hätten im Laufe der Jahrzehnte sogar für den Untergang der berühmten britischen Ostindien-Kompanie gesorgt, indem sie halfen, den freien Handel zu proklamieren, um dann doch nur selbst die Kontrolle darüber zu übernehmen.

    Es regnete immer noch, als sie Kanton erreichten, eine feuchte, dicht bebaute Stadt, deren graue Häuser wie Inseln aus einem Gewirr von Kanälen emporragten. Fast alle Gebäude hatten Pagodendächer, die meisten waren zweistöckig. Geschnitzte Balkone, die in jedem Stockwerk ganz um die Häuser herumliefen, zeugten von Wohlstand. Rechts und links der Hafeneinfahrt lagen zwei britische Kriegsschiffe mit hervorgereckten Kanonen. Auch im Regen patrouillierten an Deck die wachhabenden Soldaten. Doch für den Dampfer aus Kalkutta schienen sie sich nicht zu interessieren. Allerdings kamen einige kleinere Boote herbeigerudert, die die Passagiere der Cressida an Bord brachten.
    Betty konnte Sikki nur mit Mühe davon überzeugen, dass ihre Reise hier zunächst zu Ende sein würde. Betty würde versuchen, den Agenten der Firma Remburg zu finden, um ihm die Angelegenheit zu erklären. Sie selbst besaß dreißig Schillinge in Silber, das würde einige Wochen reichen, wenn sie sparsam lebten.
    Mister Burman war beim Einlaufen in den Hafen nicht müde geworden zu betonen, Kanton sei viel lauter als Kalkutta. Wie recht er damit hatte, bemerkte Betty, sobald sie an Land waren. Es schwirrte vor Leben, trotz des Wetters, mit dem man sich offenbar arrangierte. Überall fuhren schwer beladene Marktschiffe, Händler riefen in verschiedenen Sprachen zu ihnen herüber, was sie zu verkaufen gedächten. Betty sah Schiffe, die voll beladen waren mit glänzendem, silbernem Fisch, andere lagen schwer von Bananen bis fast zur Bordwand im Wasser. Ein mit einem Baldachin bedecktes Gewürzboot glitt vorüber und tuschte einen Hauch von tropischem Zimt, schwerem Pfeffer und Zitronenblättern in die feuchte Luft.
    »Es gibt hier alles«, erklärte Burman finster. »Nur dass man es nicht nach Hause bekommt.« Überhaupt sei das Warten
eine der wichtigsten Tugenden des Chinareisenden. Er selbst wolle sich in einem Gasthaus in der Nähe der britischen Handelsvertretung niederlassen und empfahl auch Betty und Sikki das Haus. Besonders sauber sei es dort zwar nicht, gemessen an britischen Lebensbedingungen, aber das Gasthaus läge zentral und es sei nicht teuer. Vielleicht gelänge es Betty von dort aus, den Agenten der hamburgischen Firma zu finden? Er selbst könne selbstverständlich gern behilflich sein, glaube allerdings eher, dass das Unterfangen aussichtslos sei.
    Das Gasthaus ohne Namen hatte sich angeblich so ge nannt, weil die frühen

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