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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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engstes Umfeld, ihre Anwälte und die diskrete Madame Eugénie waren eingeweiht. Wenn jemand ihren Ring bewunderte, behauptete sie, er sei nur aus Glas und sie habe sich ihn zum Spaß gekauft. Will wollte ihre Verbindung geheimhalten. Er wußte, daß die Leute noch genügend tratschen würden, und er wollte Hylton nicht auf den Plan rufen. Der Kerl war erbarmungslos. Er würde rauskriegen, wie das Kleid aussah, die Torte und was Fiona in der Hochzeitsnacht tragen wollte. Und dafür sorgen, daß dies auch ganz New York erfuhr. Sie hörte, wie er sein Notizbuch aufklappte und seine Feder übers Papier kratzte.
    Sie drehte sich um. Mehr Leute waren in den Gerichtssaal gekommen. Eine ganze Reihe davon mit Notizblöcken. Sie erkannte Nellie Bly, eine Freundin von Will, die Fiona ganz sympathisch fand. Eine Frau, die Nick mit ein paar Zeilen vernichten konnte. Ihr wurde klar, daß die Presse ihm selbst dann den Garaus machen würde, wenn es zu keiner Verurteilung käme. Sie brauchten bloß anzuführen, welche Art von Klientel das Slide besuchte. Es gäbe einen Skandal. Einen häßlichen. Die gute Gesellschaft, die seine Galerie unterstützte, würde ihn fallenlassen wie eine heiße Kartoffel. Sein Geschäft wäre ruiniert, und das würde ihn ebenso umbringen wie die Haft und die Ausweisung.
    Panik ergriff sie. Ihre Brust fühlte sich an wie zugeschnürt. Sie sagte Teddy, daß sie frische Luft brauche und ein paar Minuten nach draußen gehe. Auf den Stufen des Gerichtsgebäudes schlang sie in der kalten Morgenluft die Arme um sich und überlegte, was sie tun sollte. Wenn nur Will hier wäre, dachte sie, er wüßte es. Aber er war in Pittsburgh und würde erst in ein paar Tagen zurückkommen. Während sie hilflos und verloren dastand, sah sie durch das Fenster einer Anwaltsfirma auf der anderen Straßenseite eine Empfangsdame telefonieren. Wie der Blitz sauste sie über die Straße in das Haus hinüber. Sie würde Will in seinem Hotel anrufen. Vielleicht war er nicht da, aber einen Versuch war es wert.
    »Entschuldigen Sie«, sagte sie. »Es ist ein Notfall, und ich muß Ihr Telefon benutzen. Ich bezahle dafür.«
    »Tut mir leid, Miss, aber das geht nicht.«
    »Bitte, ich würde Sie nicht fragen, wenn das Leben meines Freundes nicht davon abhinge.«
    Die Frau zögerte. »Na schön«, sagte sie schließlich. »Wissen Sie die Nummer?«
    Fiona nannte ihr den Namen des Hotels in Pittsburgh, und kurz darauf hatte die Frau die Verbindung hergestellt. Sie reichte Fiona den Hörer, nachdem sie den Portier nach William McClane gefragt hatte. Zu ihrer Erleichterung war er im Haus und frühstückte im Speisesaal. Man würde ihn holen. Fiona schluchzte fast, als sie seine Stimme am anderen Ende hörte.
    »Fiona? Liebling, was ist los? Ist alles in Ordnung?«
    »Nein, Will, das ist es nicht.« Mit tränenerstickter Stimme erzählte sie ihm, was passiert war.
    Ohne zu zögern, erwiderte er hart: »Fiona, hör zu. Ich will, daß du so schnell du kannst von dort weggehst.«
    »Will, das kann ich nicht. Nick braucht …«
    »Es ist mir egal, was Nick braucht!« fuhr er sie an. »Die Tombs, der Gerichtssaal, das sind keine Orte für dich. Du mußt dich von ihm distanzieren. Von der ganzen Sache. Unverzüglich. Aus dem Ganzen wird ein furchtbarer Schlamassel, wenn die Presse Wind davon kriegt. Und nicht nur wegen Nick. Ich möchte, daß du aufs Land fährst. Nimm Seamie mit. Und Mary. Ich ruf Emily an und sag ihr, daß du kommst. Fiona? Bist du noch dran?«
    Einen Moment lang schwieg sie und antwortete dann: »Ja … ich bin noch dran.«
    »Ich versuch, meine Reise abzukürzen, und bin morgen abend zurück, wenn ich kann. Sprich mit niemandem darüber. Hast du mich verstanden?«
    »Ja. Sehr gut.«
    »Schön. Ich muß jetzt los. Mach, was ich dir gesagt habe, und alles wird gut. Paß auf dich auf, Liebling. Ich liebe dich.«
    »Ich liebe dich auch«, sagte sie. Die Worte brannten wie Säure auf ihren Lippen.
    »Bis bald.«
    »Leb wohl, Will.«
    Die Verbindung wurde unterbrochen. Ein paar Sekunden lang lauschte sie dem Klicken nach. Dann legte sie den Hörer auf, reichte der Empfangsdame einen Dollar und bedankte sich. Wie erstarrt ging sie zur Tür. Ihre Glieder fühlten sich eiskalt an. Will hatte ihr befohlen, Nick im Stich zu lassen. Ihren besten Freund. Den Mann, der sie gerettet hatte, als sie ganz allein war. Jetzt hatte er niemanden, und sie konnte ihn ebensowenig im Stich lassen, wie sie sich das Herz aus dem Leib reißen konnte. Sie

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