Die Teerose
eifersüchtige Freund«, sagte Maddie.
»Das hab ich gehört, Maddie!« erwiderte Nick tadelnd.
» Quel dommage«, sagte Madame. »So ein gutaussehender Mann. Die Hochzeitsbilder wären überwältigend. Und die Kinder auch.«
54
J oe schreckte aus dem Schlaf auf und sah ein kleines, sommersprossiges Gesicht über sich.
»Ich hab sie gefunden. Hab ich’s Ihnen nicht gesagt?« krähte Eddie, auf seiner Bettkante sitzend. »Ich hab gesagt, ich würde sie finden, und hab’s geschafft!«
»Bringst du ihn um, oder soll ich’s tun?« brummte Brendan von der anderen Seite des Raums. Es war sechs Uhr abends, und er hatte sich nach einem harten Arbeitstag aufs Ohr gehauen. Auch Joe hatte sich, erschöpft vom vielen Gehen, hingelegt. Jetzt stützte er sich auf, um zu hören, was der Junge zu berichten hatte.
»Michael Charles Finnegan. Duane Street Nummer fünfundvierzig. Ein Mehlhändler«, begann Eddie. »Ich hab mich bei den Docks unten umgehört, und ein Fahrer, der Waren vom Fluß in die Lagerhäuser bringt, hat mir den Tip gegeben. Er ist Ire, ist aber von England aus nach New York gekommen, ganz wie Sie gesagt haben. Und er hat auch eine Nichte! Ich hab gefragt, ob sie Fiona heißt, und er meinte, so heißt sie.«
Joe setzte sich auf. »Wo soll dieser Mann wohnen?«
»Duane Street Nummer fünfundvierzig. Ecke Broadway.«
»Gute Arbeit, Junge.« Joe griff unters Bett nach seinen Stiefeln.
»Das ist sie, oder?« fragte Brendan verschlafen.
»Das muß sie sein«, antwortete Joe.
»Gehst du jetzt hin?«
»Ja.«
»Viel Glück, Kumpel.«
»Ich hab noch eine Adresse«, sage Eddie, während Joe seine Stiefel zuschnürte. »In Chelsea. Ein Polizist, zu dessen Revier meine Straße gehört, hat gesagt, daß er einen Michael Finnegan aus der Emerald Society kennt. Er soll einen Lebensmittelladen dort oben haben. Aber er weiß nicht, ob er immer noch dort ist. Die Bank soll ihm den Laden weggenommen haben. Ich könnte für Sie hingehen und feststellen, ob er noch dort wohnt.«
»Das wird nicht nötig sein. Ich bin sicher, die Adresse in der Duane Street ist die richtige«, antwortete Joe. Doch dann sah er, wie sich die hoffnungsvolle Miene des Jungen verfinsterte, weil er auf einen weiteren Auftrag gehofft hatte. Er warf ihm einen Vierteldollar zu und sagte, er solle es nachprüfen. Wie ein Blitz rannte Eddie davon und warf die Tür hinter sich zu, was Brendan mit einer Flut von Flüchen quittierte.
Aufgeregt und voller Hoffnung folgte Joe Eddie auf dem Fuß, überzeugt, daß Michael Charles Finnegan der Mann war, den er suchte. Überzeugt, daß er sie in einer halben Stunde wiedersehen würde. Sein Mädchen.
Seine Hände zitterten, als er auf der Canal Street nach Westen ging und sich durch ein dichtes Gewühl von Menschen hindurchzwängte, die auf dem Weg nach Hause waren. Er war nervös. Hatte sogar Angst. Wie würde sie auf seinen Anblick reagieren? Sicher würde sie nicht erwarten, ihn hier zu sehen. Und was, wenn sie ihn wegschickte? Sich weigerte, mit ihm zu reden? Er hatte sie schlimm verletzt. Würde sie ihn überhaupt anhören … geschweige denn ihm verzeihen?
Wenn er sie nur sehen, mit ihr reden konnte, würde alles gut werden. Das wußte er. Das war seine zweite Chance. Darum hatte er gekämpft und würde sie nicht verscherzen. Wenn sie ihn wegschickte, käme er zurück. Wenn sie ihm sagte, er solle nach Hause fahren, würde er bleiben. Er würde Jimmy schreiben, das Geschäft zu übernehmen, und er würde hierbleiben, sich eine Arbeit suchen und nicht aufgeben, bis er sie überzeugt hatte, daß es ihm leid tat und daß er sie liebte. Bis er sie überzeugt hatte, wieder zu ihm zurückzukommen.
Am Eingang der Duane Street blieb er stehen, ballte die Fäuste, löste sie wieder und ging zu Nummer fünfundvierzig.
Fiona las zum drittenmal die Schlagzeile der Londoner Times, drückte die Zeitung an die Brust und las dann noch einmal: »Hafenarbeiter erklären Sieg«, stand dort. »Arbeitgeber gestehen Niederlage ein.«
Dicke Freudentränen liefen über ihre Wangen und tropften aufs Papier. Sie ließ ihnen freien Lauf. Es war spätabends, und keiner war da, der sie hätte sehen können. Sie war allein im Wohnzimmer ihres Onkels und außer sich vor Glück über die wundervolle Nachricht, die völlig überraschend kam.
Wegen des Streiks der Dockarbeiter hatte sich die Ankunft der Times um Wochen verzögert. Fiona hatte schon so lange keine Ausgabe der Zeitung mehr zu Gesicht bekommen,
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