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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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sah lächelnd zur Decke. »Daß sie tatsächlich die Nacht in den Tombs verbracht hat und jetzt mit Schwulen und Kriminellen im Gerichtssaal sitzt! Mein Vater wird außer sich sein! Was ist passiert, nachdem Ambrose eingegriffen hat?«
    Cameron lachte. »Dann hat Hylton seinen Senf dazugegeben. Mein Gott, ich wünschte, du hättest es sehen können, Will. Er ist tatsächlich aufgestanden und hat dem ganzen Saal erklärt, daß Nick Soames keine Schwuchtel sei. Ich dachte, mich haut’s vom Sessel.«
    Cameron fuhr fort, Peter Hyltons Auftritt zu beschreiben, Will junior hörte gespannt zu und schüttelte ungläubig den Kopf über sein Glück. Alles lief geradezu perfekt, besser, als er zu hoffen gewagt hatte. Cameron hatte ihm erzählt, daß der ganze Gerichtssaal voller Reporter war. Auch ein paar Fotografen waren aufgetaucht. Es gäbe einen Riesenskandal. Heute abend – vielleicht schon zur Mittagszeit – würde der ganze Dreck hochspritzen. Und Fiona Finnegan unter sich begraben. Dann würde sein Vater Schluß mit ihr machen. Er hätte gar keine andere Wahl. Eine anständige Frau aus der Unterklasse zu heiraten war eines, aber eine Frau zu ehelichen, die sich mit Kriminellen abgab, etwas ganz anderes.
    »… und dann, Will … ach, du glaubst es nicht … steht sie auf und erklärt mir, sie sei mit Soames verlobt. Seit zwei Monaten!«
    »Was?«
    »Sie behauptet, sie seien verlobt und Soames sei nur zufällig ins Slide gestolpert, aus Schlaflosigkeit oder irgendeinem Blödsinn.« Er machte eine wegwerfende Geste. »Die halten mich wohl für völlig bescheuert.«
    Das ist der schönste Tag meines Lebens, dachte Will junior, als Cameron seine Geschichte beendete. »Cameron …«, begann er langsam.
    »Hm?« antwortete dieser und schenkte Will nach.
    »Was ist, wenn ich mich täusche? Was ist, wenn mein Vater ihr diesen Auftritt tatsächlich verzeiht?«
    »Dann wäre unsere ganze Arbeit umsonst und auch der Gefallen, um den ich Malloy gebeten habe. Aber das wird er nicht, Will. Nicht, nachdem alles durch die Zeitungen gezerrt worden ist.«
    »In seinem momentanen Zustand ist alles möglich«, antwortete Will junior. Er leerte sein Glas und sah seinen Freund an. »Ich denke, Richter Eames, daß wir jetzt die einmalige Chance haben, Miss Finnegan für immer von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Und ich finde, daß wir diese außergewöhnliche Chance nutzen sollten.«
    Cameron erwiderte seinen Blick und nickte nur, und Will junior wußte, daß er ihn verstanden hatte. Sie konnten schon immer sehr gut die Gedanken des anderen lesen. Das hatte ihnen genutzt, wenn sie sich als Jungen Geschichten ausdenken mußten, und später, wenn sie in Examen beim Schwindeln erwischt worden waren. Sie hatten es weit gebracht, sie beide, und sie würden es noch weiter bringen.
    » Wenn dein Vater je erfährt, was passiert ist, zieht er mir das Fell über die Ohren.«
    »Das wird er nicht. Wie denn? Von mir erfährt er nichts.«
    »Was soll ich sagen, wenn er rausfindet, daß ich der Vorsitzende Richter war?«
    »Na, was denn? Offiziell kennst du sie überhaupt nicht. Hast du sie je zusammen gesehen?«
    »Nein.«
    »Hat er dich ihr je vorgestellt?«
    »Nein.«
    »Hat er dir gesagt, daß sie verlobt sind?«
    »Natürlich nicht.«
    »Wie solltest du dann verantwortlich dafür sein? Du hast von nichts gewußt. Du hast nur deine Arbeit getan. Wenn er dich je danach fragen sollte, sagst du, daß du dich niemals darauf eingelassen hättest, wenn du Bescheid gewußt hättest.«
    »Na schön. Du solltest jetzt lieber gehen. Durch den Hinterausgang, wie du hereingekommen bist. Paß auf, daß dich niemand sieht, Will. Wirklich niemand.«
    »Ich paß schon auf. Keine Sorge, Cam. Zieh das durch für mich.«
    Cameron stand auf und legte seine Robe wieder an. Die beiden verabredeten, sich im Union Club zum Essen zu treffen, dann ging Will. Er fühlte sich unendlich erleichtert. Bald wäre die ganze Sache vorbei, endgültig vorbei. Sein Vater käme nie darauf, daß Cameron die Hände im Spiel gehabt hatte. Und er dächte nicht im Traum daran, daß er selbst die ganze Sache eingefädelt hatte. Dafür hatte er sich zu perfekt verstellt – sich für sein schlechtes Benehmen entschuldigt, das Mädchen in der Familie willkommen geheißen –, und sein Vater hatte alles geschluckt. Als er den dunklen Gang hinunter- ging, durch den die Angeklagten und Verurteilten geführt wurden, dachte Will junior, daß er Cameron für diesen Gefallen tatsächlich

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