Die Teerose
etwas schuldete. Er wußte auch schon, wie er sich erkenntlich zeigen würde. Sobald er seinen Sitz im Kongreß hatte, würde er sich dafür einsetzen, daß Cam Richter am Obersten Gerichtshof wurde, was er sich so sehnlich wünschte. Und eines Tages, wenn er ins Weiße Haus einzog, würde er Cameron Eames als Obersten Bundesrichter nominieren. Jeder Präsident brauchte einen Richter in der Hinterhand.
Fiona blickte an den grellweißen Wänden des Gerichtssaals entlang, auf denen die ernsten Porträts von großen Männern aneinandergereiht hingen. Sie sah auf die amerikanische Flagge in der Ecke und das goldene Siegel der Stadt New York. Überall suchte sie nach einem Hinweis von Freundlichkeit in dem Raum, nach Verständnis für die menschlichen Schwächen. Sie suchte nach einem Zeichen, daß die Männer, die so viel Macht über das Leben anderer besaßen, diese Macht mit Weisheit und Toleranz ausübten. Aber sie sah nur die strengen, undurchdringlichen Gesichter der Beamten und die einschüchternde Leere des Richterstuhls.
Eames würde ihre Geschichte niemals schlucken. Stephen hatte ihn verärgert. Hylton hatte alles nur noch schlimmer gemacht, und sie hatte das Faß zum Überlaufen gebracht. Er würde auf einem Prozeß bestehen und Nick dann ausweisen.
Als die Tür des Richterzimmers plötzlich aufging, zuckte sie zusammen. Eames kam wieder herein und nahm seinen Platz ein. Von allen Seiten hörte Fiona Rascheln und Scharren, als sich die Zuschauer und Reporter aufrichteten, um zu sehen, welche Wendung die neue Runde bringen würde. Eames ließ sie nicht lange warten. Sobald er sich gesetzt hatte, rief er Stephen Ambrose und Fiona zum Richtertisch.
Er räusperte sich und warf dabei einen Blick durch den Saal. »Im Gegensatz zu dem Bild, das verschiedentlich in einigen der weniger seriösen Zeitungen der Stadt von mir gezeichnet wird«, begann er und nahm dabei Nellie Bly aufs Korn, »habe ich durchaus Verständnis. Und Mitgefühl.«
Fionas Herz machte einen Freudensprung.
»Und ich bin durchaus gewillt zuzugeben, daß im Fall von Mr. Soames möglicherweise ein Mißverständnis vorliegt.«
Ihre Beine wurden schwach vor Erleichterung. Alles wird gut, dachte sie. Er läßt Nick laufen.
»Miss Finnegan, Sie behaupten, Mr. Soames sei Ihr Verlobter und nur aus Zufall in das Slide gekommen … trifft das zu?«
»Ja, Euer Ehren.«
Eames wandte sich an den Angeklagten. »Ist das richtig, Mr. Soames?«
Mit einem panischen Ausdruck im Gesicht sah Nick Fiona an. Sie nickte ihm zu und schenkte ihm einen Blick, der ihn warnte, seine letzte Chance nicht zu vermasseln.
»Ja, Euer Ehren«, antwortete er ruhig.
»Nun gut. Ich bin bereit, Mr. Soames in Ihre Obhut zu übergeben, Miss Finnegan. Unter einer Bedingung …«
»Ja, Euer Ehren«, sagte sie, vor Erleichterung strahlend und in der Gewißheit, daß ihr Plan funktioniert hatte. Sie hatte Nick gerettet! Bald wäre dieser Alptraum vorbei.
»Ich bestehe darauf, daß Sie Mr. Soames noch heute heiraten. In meinem Gerichtssaal. Als Beweis für Ihre Aufrichtigkeit.«
Einen Moment lang trat absolute Stille ein, dann brach die Hölle los. Stephen und Teddy gingen auf den Richter los und sagten, daß sein Ansinnen ungeheuer und vollkommen ungehörig sei. Eames brüllte zurück, daß er einen Schwindel rieche, wenn er ihm unter die Nase käme, und daß er sich in seinem eigenen Gerichtssaal nicht zum Narren machen lasse. Reporter riefen ihr, Nick und Eames Fragen zu. Zuschauer unterhielten sich lautstark und bemerkten, daß es hier lustiger sei als in Tony Pastors Theater. Fiona stand da und war wie betäubt von der Wahl, vor die Eames sie stellte.
Plötzlich bemerkte sie, wie Nick ihr zuwinkte, soweit seine gefesselten Hände dies erlaubten. Sie ging zu ihm hinüber. Niemand hielt sie auf. Eames war in seine Auseinandersetzung verstrickt. Zwei der Polizeibeamten drückten einen aufsässigen Gefangenen, der johlend aufgesprungen war, auf seinen Platz zurück. Zwei weitere versuchten, die Menge zu beruhigen.
»Mach sofort Schluß damit«, sagte Nick. »Ich mach da nicht mit.«
»Doch, das wirst du.«
»Bist du verrückt?« zischte er. »Du wirfst dein Leben weg! Wozu denn? Das ist doch kein Kapitalverbrechen. Sie verurteilen mich, ich bezahl ein Bußgeld und bin frei.«
»Nein, so läuft das nicht. Teddy sagt, der Richter steckt dich wochenlang ins Gefängnis, und nach dem Prozeß schiebt er dich ab. Nach England. Verstehst du, was das bedeutet?«
»Verstehst
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