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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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Rechnung erst kommen, wenn ihr Vater vor Wonne über ihre Verlobung zu sehr aus dem Häuschen war, um mit ihr zu schimpfen.
    »Wischst du immer noch das Parfüm auf? Geh runter und sag Harris, daß ich gleich morgen früh die Kutsche brauche. Ich geh einkaufen.«
    »Einkaufen? Was denn, Miss?«
     »Nun, zum einen einen neuen Parfümflakon«, antwortete sie. »Und ein Kleid. Ein ganz besonderes Kleid.«
    »Noch ein Kleid? Für welche Gelegenheit denn, Miss?«
    »Mit etwas Glück, Olive, für meine Verlobung.«

   9   
    F iona stand am Wohnzimmerfenster und hörte das Rascheln des Laubs, das der Wind durch die Straße fegte. Sie zog die Vorhänge vor und erschauerte bei dem Gedanken an die einsame Gestalt, die in der Nacht ihr Unwesen trieb.
    Der Whitechapel-Mörder hatte inzwischen einen neuen Namen. Er hatte einen Brief an die Polizei geschrieben und in den Blutbädern geschwelgt, die er angerichtet hatte. Er war in allen Zeitungen veröffentlicht worden. Er habe Blut von seinen Opfern zurückbehalten, behauptete er, aber das habe sich nur schwer in eine Flasche füllen lassen, deshalb benutze er rote Tinte. Unterschrieben war der Brief mit: »Beste Grüße, Jack the Ripper.«
    Verdammtes Monster, dachte Fiona. Sie durfte nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr mit ihren Freundinnen auf der Haustreppe sitzen und nicht mehr allein zum Fluß hinuntergehen. Die Abende wurden jetzt im Haus verbracht, was ihr gar nicht behagte. Sie kniete sich neben dem Sofa nieder und zog eine Zigarrenkiste darunter hervor, in der ein paar Blatt Papier und zwei Umschläge lagen, die sie gekauft hatte, um an Joe und an ihren Onkel Michael zu schreiben. Im Kamin brannte ein Feuer. Ihre ganze Familie war zu Hause, außer ihrem Vater, der arbeitete.
    Curran, der Vorarbeiter bei Oliver’s, hatte ihn gebeten, für den Nachtwächter einzuspringen, der an Grippe erkrankt war. Fiona vermißte ihren Vater an seinem üblichen Platz vor dem Feuer, aber sie hatte ihn am Morgen gesehen. Sie hatte ihn heimkommen hören, hatte seine Schritte auf dem Kopfsteinpflaster gehört, sein Pfeifen, was ihr ein Gefühl der Geborgenheit gab.
    Sie holte Feder und Tintenfaß aus dem Schrank und setzte sich an den Tisch. Ihre Mutter stopfte im Schaukelstuhl. Charlie saß auf dem Stuhl seines Vaters und las ein Buch über Amerika, das er sich von Mr. Dolan geliehen hatte, der nebenan wohnte. Normalerweise wäre er mit den anderen jungen Burschen unterwegs gewesen, aber nachdem sein Vater und Onkel Roddy nicht zu Hause waren, blieb er daheim, um seiner Mutter Gesellschaft zu leisten und darauf zu achten, daß Jack nicht durch den Schornstein gekrochen kam, um sie alle umzubringen. Seamie spielte mit seinen Soldaten. Eileen lag in ihrem Korb.
    Fiona dachte einen Moment nach, was sie Joe schreiben könnte. Seit sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte, war in der Montague Street nicht viel passiert. Die größte Neuigkeit war, daß sie beide nun offiziell ein Paar waren. Lächelnd erinnerte sie sich an jenen Abend. Ihre Mutter hatte feuchte Augen bekommen und sich gefreut, daß Fiona einen so guten, fleißigen Ehemann bekäme, und war glücklich, daß sie den Mann heiraten würde, den sie seit ihren Kindertagen von Herzen liebte. Mehr könne sich eine Mutter nicht wünschen, hatte sie gesagt. Wenn alle ihre Kinder es so gut träfen, könnte sie sich glücklich preisen.
    Bei ihrem Vater jedoch war es anders gewesen. Als sie hereingestürzt kam, um ihren Ring zu zeigen und die Neuigkeit zu verkünden, hatte er mit verdrossener Miene in seinem Stuhl gesessen und nichts gesagt. Nachdem Joe fort war, meinte er, daß siebzehn viel zu jung sei, um zu heiraten. Hoffentlich habe sie sich auf eine lange Verlobungszeit eingerichtet, denn seiner Meinung nach sollte sich ein Mädchen frühestens mit neunzehn verehelichen. Ihre Mutter hatte den Finger an die Lippen gelegt, um ihr zu bedeuten, sich nicht mit ihm zu streiten. Später, als er im Pub war, versicherte sie ihr, daß er sich schon noch umstimmen ließe, aber jetzt einfach noch nicht bereit sei, sein Mädchen zu verlieren. »Gib ihm ein bißchen Zeit, sich an den Gedanken zu gewöhnen«, sagte sie. Und ausnahmsweise folgte Fiona dem Rat ihrer Mutter. Sie hatte nicht widersprochen, wohl wissend, daß er sonst plötzlich dreißig für das richtige Heiratsalter gehalten hätte. Am nächsten Tag lud er Joe zu einem Glas Bier ein. Sie wußte nicht, was dabei besprochen wurde, aber er war bestens gelaunt, als er nach Hause kam.

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