Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
Vom Netzwerk:
zurück, auch nichts. Dann lief er zum Stuhl hinüber, es lag auf dem Boden. Er knüllte es zusammen und warf es ihr zu, als sie unten die Tür aufgehen hörten. Sie fing es auf, und er schoß erneut durch den Raum, um die Bettdekken glattzuziehen. Als Harry und Millie eintraten, war die Tür zur Toilette geschlossen, und Joe saß lesend vor dem Feuer.
    »Hallo, alter Junge!« rief Harry aus.
    »Hallo, Joe«, flötete Millie freundlich lächelnd.
    »Ich hab nicht erwartet, dich hier anzutreffen«, fuhr Harry fort. »Ich dachte, du wärst mit einer Freundin unterwegs …«
    »Einer was?« warf Millie ein.
    »Einer Freundin«, wiederholte Harry. Millie starrte ihren Cousin an und sagte nichts. Harry, der offensichtlich glaubte, sie habe ihn nicht verstanden, fügte hinzu: »Eine Senorita. Eine Demoiselle. Ein Mädchen.«
    »Ich hab dich schon verstanden«, antwortete Millie und sah ihren Cousin scharf an. Ihr freundliches Lächeln war verschwunden und ihr fröhliches Geplauder verstummt. »Du hast von einem Freund gesprochen, Harry. Du hast gesagt, Joe sei mit einem Freund unterwegs.«
    Eine peinliche Stille trat ein. Harry trat von einem Fuß auf den anderen. Joe gab vor, in seine Zeitung vertieft zu sein.
    »Nun«, antwortete Harry und zuckte die Achseln. »Das war er auch.«
    »Aber du hast mir gesagt …«
    »Was spielt das schon für eine Rolle, Millie?« antwortete Harry, aber sein Tonfall und sein Ausdruck bedeuteten ihr, daß sie nervte.
    Daraufhin riß sie sich zusammen. Der ärgerliche Tonfall und die wütende Miene verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren, und sie lächelte wieder. »Na schön«, sagte sie fröhlich und rieb sich die Hände. »Der Abend ist kühl geworden. Was mich anbelangt, könnte ich eine Tasse Tee vertragen. Noch jemand?«
    »Ja, ich auch«, sagte Harry. Joe lehnte ab und erklärte, daß er schon genügend getrunken habe, um ein Schiff zu versenken.
    »Ach, wirklich?« fragte Millie und machte sich besitzergreifend mit der Teekanne zu schaffen. »Warum? Was hast du denn getan, daß du soviel Tee trinken mußtest?«
    Joe erzählte Millie und Harry von seinem Tag, was er gesehen hatte und wo er gewesen war. Niemand von den dreien hörte, wie die Badezimmertür aufging, niemand bemerkte, daß Fiona in der Tür stand. Sie kleidete sich fertig an und beobachtete, wie Millie um Joe herumschwirrte. Sie biß die Zähne zusammen. Millie Peterson ist ein hinterhältiges Biest, dachte sie, das nicht wußte, wann es aufhören mußte. Nun, das würde sie ihr schon beibringen. Keine Szenen, kein Geschrei, nichts, was ein schlechtes Licht auf Joe werfen würde. Es gab andere Möglichkeiten. Sie löste die Brosche von ihrem Revers und steckte sie in ihre Rocktasche.
    Als Joe mit seiner Schilderung fertig war, fragte Millie: »Und welche Glückliche hatte die Ehre, dich zu begleiten?«
    »Ich«, sagte Fiona.
    Harry sprang auf. »Donnerwetter!« rief er aus. »Verzeihen Sie meine schlechten Manieren, ich wußte nicht, daß Sie da sind. Joe hat uns nichts gesagt, andererseits haben wir ihm auch keine Chance dazu gegeben, nicht? Harry Eaton, schön, Sie kennenzulernen. Bitte nehmen Sie Platz. Das ist meine Cousine Millie Peterson.«
    »Freut mich, Harry Eaton. Ich bin Fiona Finnegan, und Millie kenne ich bereits.«
    »Wirklich? Ist das nicht reizend?« rief Harry aus. Er wandte sich zu Millie und erblaßte. Ihr Mund lächelte, aber ihre Augen … der Zorn darin war glühend genug, um jeden erbleichen zu lassen.
    »Freut mich«, sagte Millie.
    »Setzen Sie sich und trinken Sie eine Tasse Tee mit uns.«
    »Danke« antwortete Fiona, »aber ich kann nicht. Es ist schon spät, und wir – Joe und ich – müssen nach Whitechapel zurück. Wir werden erwartet.«
    Fiona und Harry plauderten weiter, während Joe seine Jacke und seine Mütze nahm. Millie starrte Fiona schweigend an. Als Joe fertig war, verabschiedeten sie sich und gingen zur Tür. Als Joe sie öffnete, drehte sich Fiona um und rief: »O nein! Meine Brosche! Sie ist weg, ich hab sie verloren!«
    »Hast du sie noch gehabt, als wir hier ankamen?« fragte er.
    »Da bin ich mir sicher. Sie muß mir hier irgendwo abhanden gekommen sein.«
    »Wo haben Sie denn gesessen?« fragte Harry. »Vielleicht ist sie hier.«
    Millie rührte sich nicht. »Wie sieht sie denn aus?« fragte sie durchtrieben. »Sind Rubine darauf oder Smaragde?«
    »Sie ist aus Messing«, antwortete Fiona.
    »Wie passend.«
    Während Harry auf Knien den Boden und Joe die Toilette

Weitere Kostenlose Bücher