Die Templerin
genug gekannt.
»Ich dachte, daß du …« Ihre Mutter suchte nach Worten. »Daß ihr beiden euch mögt. So wie Mann und Frau.«
»In meinem Alter?«
»Du bist fünfzehn«, sagte ihre Mutter betont. »Das ist mehr als alt genug. Ich war jünger, als ich meinen Mann kennenlernte. Nicht den Soldaten.« Ein Ausdruck unbestimmter Trauer begann sich auf ihrem Gesicht auszubreiten. Ihre Stimme wurde leiser. »Aber es ist meine Schuld. Ich hätte viel eher mit dir über gewisse Dinge reden sollen. Schon vor Jahren.«
»Zwischen Jan und mir war nichts«, beharrte Robin. »Wirklich. Er hat… gar nicht gewußt, daß ich ein Mädchen bin.«
»Dann war er ein Dummkopf«, sagte ihre Mutter. »Aber nun verstehe ich auch, warum der Tempelritter glaubte, du wärst mein Sohn. Es war sehr schlimm, nicht wahr?«
Robin nickte. Sie sagte nichts.
»Was ist wirklich passiert?« wollte ihre Mutter wissen. »War es so, wie Bruder Abbé behauptet hat?«
Was sollte sie sagen? Sie wollte ihre Mutter immer noch nicht belügen, aber als sie ihr das letzte Mal die Wahrheit gesagt hatte, da hatte sie großes Unheil damit heraufbeschworen.
Schließlich sagte sie. »Ja. Beinahe jedenfalls. Jan und ich waren draußen, und der Tempelritter war zusammen mit Helle in der Kirche. Olof hat erst Jan erschlagen und ist dann in die Kapelle gerannt. Als ich dazu kam, war Helle bereits tot, und Abbé kämpfte mit ihm. Das ist alles.« Das war längst nicht alles, und sie log nicht besonders überzeugend. Aber ihre Mutter beließ es dabei.
»Und du glaubst, das alles wäre deine Schuld«, stellte sie fest. »Ich habe ihm mein Wort gegeben, nichts zu verraten«, antwortete Robin. Sie flüsterte nur noch und hielt den Blick schamhaft gesenkt, aber sie konnte fühlen, daß ihre Mutter sie ansah. Sie konnte sogar die Trauer in ihrem Blick spüren.
»Und du hast dein Wort gebrochen, und nun glaubst du, daß das alles nur passiert ist, weil du mir alles verraten hast.« Ihre Mutter seufzte. »Das ist nicht wahr.«
Robin sah hoch. Sie suchte vergeblich in den Augen ihrer Mutter nach einem Anzeichen dafür, daß sie die Unwahrheit sagte. Obwohl Ehrlichkeit zwischen ihnen immer das höchste Gebot gewesen war, wußte sie natürlich trotzdem, was eine barmherzige Lüge war.
»Wenn Olof nichts davon erfahren hätte…«, begann sie, wurde aber sofort von ihrer Mutter unterbrochen.
»Er wußte es schon lange«, sagte ihre Mutter. »Jeder im Dorf wußte es, schon lange, bevor du mir davon erzählt hast. Der Tempelritter und Helle haben sich seit Monaten getroffen. Eigentlich hätte ihm klar sein müssen, daß sein Geheimnis nicht lange ein Geheimnis bleiben wird. Mach dir keine Vorwürfe. Es ist nicht deine Schuld, glaub mir. Gestern abend ist im Grunde nur das passiert, was wir alle schon lange Zeit befürchtet haben. Und es hätte schlimmer kommen können.«
»Schlimmer?« Was konnte denn schlimmer sein als der sinnlose Tod von gleich drei Menschen?
»Wäre Bruder Abbé nicht der Mann, der er gottlob ist«, bestätigte ihre Mutter. »Doch selbst wenn wir es nicht besser gewußt hätten, so hätte ihm wohl niemand die haarsträubende Geschichte abgenommen, die er zum besten gab.«
»Er ist kein guter Lügner«, sagte Robin. Sie begann sich allmählich schläfrig zu fühlen. Der Kräutertrank, den ihre Mutter ihr eingeflößt hatte, begann seine Wirkung zu tun, und das gleich in mehrfacher Hinsicht: Ihre Glieder fühlten sich nun auf angenehme Weise schwer und matt an, auch der bohrende Schmerz in ihrem Inneren war zu einem dumpfen Pochen geworden; so wie ein schlimmer Zahn, der noch nicht wirklich weh tat, sich aber bereits bemerkbar machte.
»Das muß er auch nicht sein«, antwortete ihre Mutter. »Er hat uns eine goldene Brücke gebaut, verstehst du? So ist es am besten. Für ihn, aber vor allem für uns. Und auch du solltest bei dieser Geschichte bleiben. Ich bin froh, daß du mir die Wahrheit gesagt hast, aber es ist wohl für uns alle das beste, wenn wir diesmal der Lüge den Vorzug geben statt der Wahrheit.«
»Aber hast du mir nicht selbst gesagt, daß man immer die Wahrheit sagen muß?«
»Ja. Aber in diesem Fall könnte die Wahrheit großen Schaden anrichten. Ein Mordanschlag auf einen Tempelritter ist ein schweres Verbrechen, das auf uns alle zurückfallen würde.« Sie fuhr Robin sacht mit dem Handrücken über die Wange. »Und nun schlaf. Wenn du morgen früh aufwachst, dann wird dir alles nur noch wie ein böser Traum erscheinen.«
Robin
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