Die Templerverschwoerung
recherchierte bei Google weiter. Was Daniel Ferry anging, hatte er mehrere Treffer bei Facebook, Linkedin und Twitter und entdeckte dann einen kurzen Eintrag auf der Website einer katholischen Kirche in Fall River. Je mehr Conor las, desto klarer wurde Ferrys Profil für ihn. Die Informationen waren begrenzt, aber sie genügten, um sie mit dem zusammenzubringen, was er über Oliver fand.
Am meisten beschäftigte ihn ihre Verbindung zu Portugal. Beide gehörten portugiesischstämmigen Familien an. Eine kurze Recherche zeigte, dass in New England eine der größten portugiesischen Bevölkerungsgruppen der USA lebte. Besonders viele Portugiesen gab es in Fall River. Etwa vierzig Prozent seiner Bevölkerung hatte portugiesische Wurzeln.
Jetzt wurde allmählich klar, weshalb sie in der Rundkirche von Cambridge ein auf Portugiesisch geschriebenes Gebet gefunden hatten. War das tatsächlich so? Wenn er recht überlegte,konnte es höchstens als indirekter Hinweis darauf gelten, dass Oliver, Ferry oder jemand, den die beiden kannten, in der Rundkirche gewesen war. Und dass es in diesem Fall eine Verbindung nach Portugal geben musste. »Heilige Maria von der Bundeslade« hatte jemand auf Portugiesisch geschrieben, was darauf hinwies, dass der oder die Mörder portugiesische Katholiken waren.
Nun las er sich kreuz und quer durch die Suchmaschine. Er überflog Artikel über Portugal und dessen katholische Kirche, über die großen Entdeckungsreisen der Portugiesen im 15. und 16. Jahrhundert. Sie waren fast überallhingekommen, hatten die Welt für den internationalen Handel geöffnet und von Brasilien bis Macau Kolonien gegründet. Er fragte sich, ob es jemals auch einen Kontakt zu Äthiopien gegeben hatte. Da sie die meisten Reisen nach Westen in die Neue Welt, nach Osten um das Kap der Guten Hoffnung in den Indischen Ozean und weiter bis nach China und Japan unternommen hatten, schien Conor Äthiopien ziemlich abseits der Routen ihrer Schiffe gelegen zu haben.
Eine kurze Recherche ergab jedoch etwas anderes. Alle frühen Besucher Äthiopiens aus Europa waren Portugiesen gewesen. Anfang des 15. Jahrhunderts war ein Abgesandter aus Äthiopien am Hofe Heinrichs des Seefahrers erschienen. Botschafter Portugals waren nach Äthiopien gereist, hatten Axum besucht, und eine kleine Armee portugiesischer Soldaten hatte den Äthiopiern geholfen, die Angriffe eines gefährlichen muslimischen Kriegsherrn abzuwehren.
Waren diese Verbindungen nach Portugal irgendwie bis zur Gegenwart erhalten geblieben? Das klang wenig plausibel. Hatten sich Nachkommen der Botschafter oder der Soldaten, vielleicht auch selbstständige Händler in Afrika niedergelassen und sich ihr Portugiesisch bewahrt?
Dann gab er »Tempelritter, Portugal, Äthiopien« ein und hatte Glück. Es war der erste echte Durchbruch bei dieser Ermittlung. Am Ende war alles ganz einfach, vielleicht zu einfach, denn er wusste, dass er höchstens die halbe Wegstrecke bewältigt hatte.
Zwischen 1312 und 1314 wurden die Tempelritter überall in Europa unterdrückt. Man nahm ihnen ihre Güter, erklärte sie zu Ketzern, verbrannte sie auf Scheiterhaufen, verurteilte sie als Bösewichte und Hexenmeister, als den Abschaum der Menschheit. Von dieser Verfolgung sollten sie sich nie wieder richtig erholen. Alles, was von ihnen blieb, waren ihre Burgen und ihre Rundkirchen, die Überreste einer Zeit, da sie stolz darauf sein konnten, als Europas beste Kämpfer zu gelten. Die Kreuzzüge waren lange vorüber, und die finanziell Einflussreichen in Frankreich und anderenorts riefen nach Opfern und Sündenböcken. Seit jener Zeit, so stellte Conor fest, war von den Tempelrittern in all den Ländern, wo sie Macht und Reichtum besessen hatten, nichts mehr zu hören.
Außer in einem Land – Portugal. Dort nahm sie der Dichterkönig Dinis unter seinen Schutz. Der Papst stimmte zu, dass Vermögen und Titel der Tempelritter an den im Jahre 1319 neugegründeten Christusorden übergingen. 1357 richtete der Orden seinen Hauptsitz in dem prächtigen Komplex der Burg und der Rundkirche von Tomar ein. Dort ging das Leben des Ordens unverändert weiter – bis in die Gegenwart.
Conor schaltete den Computer aus und schaute auf die Uhr, die vor ihm an der Wand hing. Über zwei Stunden waren vergangen. Mariyam war noch nicht zurück.
27. KAPITEL
Auch sie hatte einen langen Vormittag hinter sich. Sie war zum Universitätsgelände am Sidist Kilo gefahren und hatte zunächst das Institut für Äthiopische
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