Die Templerverschwoerung
Studien aufgesucht, wo sie einst ihren ersten Abschluss gemacht hatte. Sie war auch danach als Forschungsstudentin und Bibliothekarin oft hier gewesen, hatte mit den Mitarbeitern gesprochen und ihre riesige Sammlung von Büchern auf Ge’ez und Amharisch genutzt. Professor Assefa Negasi war in seinem Arbeitszimmer, das sie als Erstes aufsuchte. Er hatte bereits von den Morden in Paris und Cambridge gehört, wusste aber keine Einzelheiten, außer dass zwei seiner alten Freunde nun tot waren. Sie teilte ihm mit, was sie für vertretbar hielt, und er rief die Mitarbeiter der Fakultät zusammen, damit sie es ebenfalls erfuhren. Paul Rutherford, ein Englischlehrer, der aus Cambridge nach Äthiopien gekommen war, stellte mehr Fragen als alle anderen. Weshalb sie in Äthiopien war, sagte sie nicht. Auch über das Matshafa , Conor oder das geheimnisvolle Kloster, wo sie Antworten zu finden hofften, schwieg sie.
Sie aßen gemeinsam in der Mensa – ein einfaches Gericht, das sie mit ein paar Gläsern Cola hinunterspülten. Erinnerungen stiegen in ihr auf, darunter auch schmerzliche. Nicht all ihre Zeit in Addis Abeba war glücklich gewesen. Während des Essens schwatzten sie miteinander, gedachten des lebhaften Jean-Luc Belvaux, über dessen Aussprache des Amharischen sie oft gelacht hatten. Dabei war er einer der wenigen Menschen aus dem Westen gewesen, die diese Sprache beherrschten.Sie redeten von Kaleb Ameta, den sie als ihren Botschafter in Großbritannien betrachtet hatten, die größte Kapazität für äthiopische Handschriften in Europa, vielleicht sogar in der ganzen Welt. Seine regelmäßigen Besuche in Addis hatte man stets voller Ungeduld erwartet, weil er sein Wissen so großzügig mit seinen Kollegen teilte, aber auch weil er wegen seiner Herzlichkeit und seines Humors bei allen beliebt war.
Nach dem Essen kehrten alle in ihre Büros oder in die Bibliothek zurück. Nur Professor Negasi, Mariyams alter Freund, der ihr mehr als sonst jemand bei ihrer Dissertation geholfen hatte, blieb noch.
»Mariyam«, sagte er, als sie bereits an der Tür standen. Er war immer sehr liebevoll zu ihr gewesen, aber jetzt las sie in seinen Augen noch etwas anderes. Die Einzelheiten über den Tod seiner Kollegen hatten ihn tief erschüttert.
»Ja?«
»Haben Sie Zeit, noch einmal mit mir in mein Zimmer zu kommen? Ich möchte etwas mit Ihnen besprechen, wenn Sie nichts dagegen haben.«
Sie nickte und glaubte, er wolle noch ein wenig Jean-Lucs und Kalebs gedenken. Schweigend gingen sie die Treppe hinauf. Sein Arbeitszimmer lag in der zweiten Etage.
Er bestellte Kaffee und suchte in einer Schublade nach einer kleinen Schachtel Gebäck.
»Das kaufe ich bei Enrico«, sagte er. »Erinnern Sie sich an ihn?«
»An der Wingate Street? Natürlich. Ich vermisse in London so einiges, Assefa, obwohl es dort eigentlich alles gibt.«
»Wie geht es …? Wie war doch sein Name? Der Ihres englischen Freundes. Sind Sie noch mit ihm zusammen?«
Ihre Miene verdüsterte sich.
»Reden wir nicht davon«, sagte sie.
Er hielt inne. Die Frage hatte er gar nicht so ernst gemeint, wie Mariyam sie offenbar aufgenommen hatte. Er mochte Mariyam sehr, und es stimmte ihn traurig, dass man sie verletzt hatte. Wohl erst vor kurzem, nach dem, was ihr vor einigen Jahren zugestoßen war.
Der Kaffee wurde gebracht. Er war heiß und stark, wie sie es von früher gewohnt war. Sie nahm sich ein Plätzchen und musste lachen, als ihre Finger vom Zucker klebrig wurden.
»Mariyam«, sagte der Professor nun. »Weshalb sind Sie wirklich hier? Von diesen Morden hätten Sie uns auch per Telefon oder E-Mail berichten können. Dafür brauchten Sie nicht nach Addis zu fliegen. Wenn Sie es auch nicht erwähnt haben, aber zwischen den beiden Morden besteht doch ein Zusammenhang. Habe ich recht?«
Dass er Amharisch sprach, gab ihr Sicherheit und Zuversicht. Ohnehin brauchte sie einen Rat, und Assefa war vielleicht der Mann, der ihn ihr geben konnte. Er war Priester gewesen und erst im Alter von fünfunddreißig Jahren an die Universität gekommen. In seinem Verhalten erinnerte er immer noch an einen Kirchenmann. Er war nachdenklich und ausgeglichen, fällte keine raschen Urteile und war stets bereit, für einen Freund einzustehen.
»Hören Sie, Assefa, ich habe Ihnen und den anderen nicht alles gesagt. Es ist nicht direkt ein Geheimnis, aber ich wollte niemanden unnötig hineinziehen.«
Sie berichtete ihm von den anderen Toten in der Rundkirche, dem Anschlag auf ihr Leben
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